Plakat des Evangelischen Hilfswerks Württemberg, 1948
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Von: Kittel, Andrea
Inhaltsverzeichnis
1: Kirchliche Nothilfe nach dem zweiten Weltkrieg
In der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart befindet sich ein handgemaltes großformatiges Plakat des württembergischen Evangelischen Hilfswerks aus dem Jahr 1948 (Museale Sammlung, 18.074). Zusammen mit den Aktenbeständen des Diakonischen Werks Württemberg kam es ins Haus.
Auf einer Landkarte von Württemberg sind darauf sämtliche Einrichtungen und Initiativen des Hilfswerks zu sehen, die seit 1945 aufgebaut wurden und am 1.7.1948 noch bestanden.
Um in der unmittelbaren Nachkriegszeit akute Nothilfe zu leisten, war das Evangelische Hilfswerk am 23.8.1945 auf der Kirchenvertreterkonferenz in Treysa gegründet worden. Mit der Kapitulation am 8. Mai 1945 war in Deutschland der Zweite Weltkrieg beendet. Das Land, das zuvor Völkermord und Zerstörung über Europa gebracht hat, lag in Trümmern. Traumatisierte und versehrte Menschen, Kriegswaisen, Heimatlose, Geflüchtete und Vertriebene benötigten Lebensmittel und Kleidung sowie eine erste Unterkunft. Die Evangelische Kirche reagierte auf diese Not mit der Gründung des Hilfswerks. Einen wesentlichen Anstoß dazu gab der württembergische Landesbischof Theophil Wurm. Mit dem Aufbau des Werks wurde auf EKD-Ebene Eugen Gerstenmaier (1906-1986) betraut, das Zentralbüro lag in Stuttgart. Die einzelnen Landeskirchen richteten eigene Hauptbüros ein, um über die regionalen kirchlichen Strukturen effektiv Hilfe leisten zu können. So auch in Württemberg. Unter der Leitung von Wilhelm Pressel (1895-1986) wurden landesweit Bezirksverantwortliche berufen und Bezirksbüros aufgebaut. Überall entstanden örtliche Kleiderkammern, Suppenküchen, Lebensmittelausgaben und Beratungsstellen – die Vorläufer der heutigen Diakonischen Bezirksstellen. Daneben errichtete das Hilfswerk Notaufnahmelager für Flüchtlinge und gründete verschiedene Heimeinrichtungen und Aufbaugilden.
Im Jahr 1975 wurde das Evangelische Hilfswerk gemeinsam mit der Inneren Mission zum neu gegründeten Diakonischen Werk vereint.
2: Zustand und Restaurierung
Das Plakat mit seinen Darstellungen einzelner Hilfseinrichtungen ist ein wertvolles Dokument für die Geschichte der freien Wohlfahrtspflege in Württemberg in der unmittelbaren Nachkriegszeit.
In Tusche gezeichnet und koloriert hat es der Plakatmaler Curt Zeh (1919-2013), der 1947 beauftragt worden war, die Arbeit des Evangelischen Hilfswerks Württemberg zu Werbezwecken anschaulich darzustellen.
Das Plakat ist 197x136 cm groß. Jahrzehntelange Lagerung hatten dem Objekt zugesetzt: Zusammengerollt, geknickt, eingerissen und verschmutzt kam es im Archiv an. Mittlerweile wurden die Schäden durch den Restaurator behutsam repariert und das brüchige Papier entsäuert. Das empfindliche Werk wird nun unter den klimatisch erforderlichen Bedingungen sachgerecht in einem Planschrank im Magazin aufbewahrt.
3: Bildaufbau
Die Illustrationen auf dem Plakat spiegeln die Nöte und Hilfsleistungen der ersten drei Nachkriegsjahre in Württemberg wider.
Die Gesamtkomposition und die einzelnen Motive sind vielgestaltig – wie bei einem Wimmelbild gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken. Das Plakat ist Schaubild und Stimmungsbild zugleich. Es will nicht nur informieren, sondern auch aufrütteln, sensibel machen für Problemfelder, vor allem aber Hoffnung vermitteln, dass die geleistete und zu leistende Hilfe wiederaufzurichten vermag, was zerstört wurde.
Mit dem Plakat zielte das Evangelische Hilfswerk Württemberg darauf ab, seine Leistungen vorzustellen, um letztendlich notwendige Gelder und Sachspenden zu akquirieren. In den ersten Jahren nach dem Krieg war der Bedarf an Mitteln für Notleidende enorm und die Werbung um Spenden machte einen Großteil der Arbeit des Hilfswerks aus.
3.1: Logo
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Logo und Motto
Ganz oben links prangen Titel und Logo des Hilfswerks kombiniert mit einem biblischen Leitmotiv für christliches Handeln und Helfen: „Und der König wird antworten und sagen zu ihnen: Wahrlich ich sage euch, was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Evgl. Matth. 25/40.“
3.2: Zerstörte Städte
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Zerstörtes Stuttgart
Die Landkarte Württembergs wird rechts und links unten eingerahmt von zerstörten Städten. Ihre Wahrzeichen liegen in Trümmern. In ihren Ruinen sind sie sich merkwürdig ähnlich, so dass der Illustrator die Stadtwappen als erkennbare Insignien und Reste des einstigen Stolzes dazu gesellte.
Dargestellt sind die Städteauf der linken Bildseite:Böblingen, Friedrichshafen, Freudenstadt, Heilbronn, Heimsheim, Neckarsulm, Reutlingen, Stuttgart, Ulm; auf der rechten Bildseite: Crailsheim, Gaildorf, Löwenstein, Neuenstadt, Waldenburg, Weinsberg.
3.3: Hilfesuchende und Heimatlose
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Flüchtlinge, oben
Am oberen und unteren Bildrand sind lange Reihen von Hilfesuchenden zu sehen: Alte, Junge, Versehrte, Kranke, Erschöpfte. Die Menschen oben entsteigen Zugwaggons - offensichtlich auf der Flucht -, bepackt mit Bündeln, Koffern und Kisten. Unten kommen sie zu Fuß, schleppen ihr Hab und Gut auf Handkarren oder auf von Ochsengespannen gezogenen Wägen. In diesen Szenen sind all diejenigen dargestellt, an die sich die Arbeit des Hilfswerks richtet.
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Flüchtlinge, unten
Dazu wird deutlich: Der Arbeitsschwerpunkt lag bei den Millionen von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, die sich vor und nach der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 auf den Weg in den Westen gemacht hatten. Die Probleme der Versorgung und Unterbringung, der Betreuung und Eingliederung – die Leib- und Seelsorge, waren für das Evangelische Hilfswerk in Württemberg eine immense Herausforderung.
3.4: Einrichtungen
Das zentrale bildbestimmende Motiv des Plakats ist die Karte von Württemberg. Unter anderem werden regionale Besonderheiten hervorgehoben: Wald-, Wiesen-, Jagd- oder Weinbaugebiete. Die Hauptinformation gilt jedoch den Orten, die Sitz einer Hilfseinrichtung sind. Eine Legende am rechten oberen Bildrand klärt auf, wo es sich um eine „Bezirksstelle“, eine „Einrichtung“ oder eine „Betreuungsstelle“ handelt. Kinderspeisungen gab es an so vielen Orten, dass sich der Illustrator mit dem Piktogramm eines essenden Kindes begnügt, das sich entsprechend wiederholt. Anders, bei Versehrteneinrichtungen wie in Isny und Oberstenfeld, wo einbeinige ehemalige Soldaten etwas individueller auf Krücken abgebildet sind. Das Altersheim in Lorch wird anschaulich durch zwei alte, gebückte Menschen auf einem Bänkchen darstellt. Jugenderholungs- und Freizeiteinrichtungen zeigen fröhliche junge Menschen, lesend, singend, musizierend.
4: Die dargestellten Einrichtungen nach Tätigkeitsfeldern
* = Detailmotiv im Plakat
KINDERSPEISUNG | KINDERERHOLUNGSHEIM | KINDERGARTEN/KINDERHORT |
Crailsheim* | Altmannshofen* | Göppingen |
Backnang* | Hitzenlinde* | Heidenheim |
Eutendorf* | Scheidegg* | Heilbronn |
Göppingen* |
| Ludwigsburg |
Heidenheim* | KINDERHEIM |
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Herrenberg* | Laufenmühle* | SCHÜLERTAGESHEIM |
Ludwigsburg* | Ulm (Mädchenheim)* | Mergentheim |
Mergentheim |
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Nagold* | HEIMSCHULE FÜR FLÜCHTLINGSWAISEN | |
Öhringen* | Kleinglattbach* | |
Ravensburg* | ||
Waiblingen* | ||
Weinsberg* |
SIEDLUNG | WOHNHEIM FÜR HEIMKEHRER | FREIZEITHEIME |
Backnang | Ludwigsburg* | Hohenzollern* |
Oberurbach* |
| Stettenfels* |
| ERHOLUNGSHEIM /GENESUNGSHEIM |
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SIEDLERAUSBILDUNGSSTÄTTE | Großsachsenheim(für Heimkehrer) * | ALTERSHEIME |
Kleinbottwar* | Honau | Lorch* |
| Oberstenfeld (für Heimkehrer) | Ludwigsburg |
HILFSKRANKENHAUS |
| Stettenfels |
Mergentheim | VERSEHRTENHEIM |
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| Isny* | ALTENSPEISUNG |
| Oberstenfeld* | Stuttgart |
STUDENTENHILFEN | ENTLASSUNGSLAGER | HAUPTLAGER |
Reinerzau (Erholung) * | Malmsheim* | Stuttgart |
Stuttgart (Hilfe) | Tuttlingen* |
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Tübingen (Speisung) * | Ulm* | AUSSENLAGER |
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| Ludwigsburg |
WERKSTÄTTEN | FLÜCHTLINGSLAGER | Tübingen (Zweigstelle) |
Ludwigsburg | Unterkochen* | Ulm |
Magstadt (Weberei und Töpferei) * |
| Waiblingen |
Oberstenfeld | ||
Waiblingen | ||
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ARBEITSGILDEN | ||
Stettenfels* | ||
Stuttgart-Burgholzhof |
5: Der Gestalter des Plakats
Laut der Signatur am unteren Bildrand stammt die Ausführung des Plakats aus dem Jahr 1947 von Curt Zeh. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um einen Illustrator aus Stuttgart, der auch noch 1950 Bildkarten für das Evangelische Hilfswerk ausführte.
Aktualisiert am: 10.01.2022
Literatur
10 Jahre Hilfswerk der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Stuttgart 1955
Weiterführende Links
Beitrag zu Diakonie Württemberg / Hilfswerk in WKGO von Dorothea Besch
Diakoniebestände in der Bestandsübersicht Landeskirchliches Archiv Stuttgart
Bildnachweise
- Logo und Motto
Logo und Motto
- Zerstörtes Stuttgart
Zerstörtes Stuttgart
- Zerstörte Städte, linke Plakatseite
Zerstörte Städte, linke Plakatseite
- Zerstörte Städte, rechte Plakatseite
Zerstörte Städte, rechte Plakatseite
- Zerstörte Städte, Böblingen und Neckarsulm
Zerstörte Städte, Böblingen und Neckarsulm
- Flüchtlinge, oben
Flüchtlinge, oben
- Flüchtlinge, unten
Flüchtlinge, unten
- Altersheim Lorch
Altersheim Lorch
- Entlassungslager Tuttlingen
Entlassungslager Tuttlingen
- Entlassungslager und Mädchenheim Ulm
Entlassungslager und Mädchenheim Ulm
- Erholungsheim für Versehrte in Großsachsenheim
Erholungsheim für Versehrte in Großsachsenheim
- Flüchtlingslager Unterkochen
Flüchtlingslager Unterkochen
- Freizeit Jugend Stettenfels
Freizeit Jugend Stettenfels
- Heimschule für Flüchtlingswaisen Kleinglattbach
Heimschule für Flüchtlingswaisen Kleinglattbach
- Jugend-, Freizeitheim Hohenzollern
Jugend-, Freizeitheim Hohenzollern
- Kinder-Freizeit, -Erholung allgemein
Kinder-Freizeit, -Erholung allgemein
- Kinderspeisung Öhringen
Kinderspeisung Öhringen
- Speisung von Kindern, Versehrten, Siedlern
- Studentenspeisung Tübingen
Studentenspeisung Tübingen
- Stuttgart Hauptlager
Stuttgart Hauptlager
- Weberei und Töpferei in Magstadt
Weberei und Töpferei in Magstadt
- Wohnheim für Heimkehrer in Ludwigsburg
Wohnheim für Heimkehrer in Ludwigsburg
Zitierweise
https://wkgo.de/cms/article/index/plakat-des-evangelischen-hilfswerks-wurttemberg-1948 (Permalink)
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