Stuttgarter Kindergärten 1942

Im Jahr 1942 gab es in Stuttgart 24 evangelische Kindergärten. Sie waren an die jeweiligen Kirchengemeinden angeschlossen und wurden vom Verein für Kleinkinderpflegen betrieben. Der Verein hatte die Künstlerin Elisabeth Dinkelacker beauftragt, von Juni bis September des Jahres jede Einrichtung zu besuchen und Illustrationen anzufertigen.

Stuttgarter Kindergärten 1942

Von: Kittel, Andrea

Inhaltsverzeichnis
  1. 1: Handgezeichnetes Bilderbuch von Elisabeth Dinkelacker „Chronik der 24 Stuttgarter Kindergärten des Vereins für Kleinkinderpflegen, 1942“
  2. 1.1: Die Seiten des Bilderbuchs zum Durchblättern
  3. Transkription der Texte
  4. 2: Provenienz
  5. 3: Elisabeth Dinkelacker
  6. 4: Der Verein für Kleinkinderpflegen
  7. Anhang

1: Handgezeichnetes Bilderbuch von Elisabeth Dinkelacker „Chronik der 24 Stuttgarter Kindergärten des Vereins für Kleinkinderpflegen, 1942“

Im Jahr 1942 gab es in Stuttgart 24 evangelische Kindergärten. Sie waren an die jeweiligen Kirchengemeinden angeschlossen und wurden vom Verein für Kleinkinderpflegen betrieben. Der Verein hatte die Künstlerin Elisabeth Dinkelacker beauftragt, von Juni bis September des Jahres jede Einrichtung zu besuchen und Illustrationen anzufertigen. Der Verein ehrte mit dieser „Chronik“ seinen Vorsitzenden, Kirchenrat Hans Theodor Dölker (1882- 1953), der am 11.9.1942 seinen 60. Geburtstag feierte. Die Erzieherinnen trugen gereimte Texte bei und so entstand die Chronik der 24 Stuttgarter Kindergärten des Vereins für Kleinkinderpflegen mit dem Titel: „Das Buch erzählet vom Verein: ...wie Kinder fromm und fröhlich sein."

Wenn man in dem Buch blättert und den Kinderwelten in den Stuttgarter Stadtteilen nachstöbert, wird man auf den ersten Blick nicht gewahr, dass Elisabeth Dinkelacker diese Kindergartenidyllen mitten im Krieg gezeichnet hat. Außen vor bleibt, dass Stuttgart 1942 bereits mehrere Luftangriffe erlebt hatte und viele Väter fehlten, weil sie an der Front kämpften oder gefallen waren. Das Buch zeigt vordergründig eine Welt, wie sie für Kinder sein sollte: Behütet und friedlich, die Tage gefüllt mit Spiel und Gesang. 

Schaut man genauer hin, erkennt man jedoch, dass auch den ernsten Themen Raum gegeben wird. Vor allem, dass die evangelischen Kindergärten seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Repressalien ausgesetzt waren und sich gegen die Übernahme durch die NS-Volkswohlfahrt wehren mussten. Gleich drei Kindergärten waren bedrängt worden, sich neue Räume zu suchen, um einer N.S.V. Einrichtung Platz zu machen. Bei der Wilhelms-Kinderpflege konnte dies noch abgewendet werden. Die Katharinen-Kinderpflege hingegen musste ins Gemeindehaus der Leonhardskirche ziehen – leider zogen nicht alle Kinder mit. Und auch der Weismann-Kindergarten verlor sein angestammtes Domizil in Südheim. Hier wird der kleine Peter beschrieben, der traurig ist und weint, da ihn seine Eltern nicht mehr in den evangelischen Kindergarten gehen lassen, sondern beim Kindergarten der N.S.V. angemeldet haben.

Interessant auch die Ausführungen des Kindergartens auf dem Weißenhof, der den heutigen Höhenpark Killesberg zum Sommerspielplatz nutzte:
„Die Fernsicht von der Höhe des Weißenhofs ist zauberhaft schön. Bald steigen die Flaggen am Eingang der Reichsgartenschau, die Tore tun sich weit auf. Damit beginnt die Glanzzeit des Kindergartens. Am Morgen eines jeden schönen Sommertags ziehen die Kinder in langem Zug in ihr Reich ein. Nur ganz wenige Besucher sind da. – Alles gehört uns: die vielen Blumen, die duftenden Akazien, die Flugzeuge und der niedliche (?) Panzerkreuzer.“
Die Anlage des Höhenparks geht auf die Maßnahmen zur Reichsgartenschau 1939 zurück. Dafür war ein ursprünglich als Steinbruch genutztes, aber bereits aufgelassenes Gelände zum Park und Ausstellungsgelände umgestaltet worden. Schwer wiegt das Wissen, dass 1941 bis 1942 das Gelände Sammlungsort jüdischer Bürger aus Württemberg und Hohenzollern für die Transporte in die Konzentrations- und Vernichtungslager war.

Auch Themen wie Luftverschmutzung durch die Industriebetriebe und die Probleme des sozialen Brennpunktes im Stuttgarter Osten (Lutherhaus) werden nicht ausgespart. Ebenso zur Sprache kommen die Unbilden eines Kindergartenbetriebs in veralteten Gebäuden, wie etwa beim Hospitalkindergarten.

Von heute aus gesehen ist die „Chronik“ der Evangelischen Kindergärten ein Schatz. Nicht zuletzt deshalb, weil im Zweiten Weltkrieg in Stuttgart insgesamt mehr als die Hälfte der Bausubstanz zerstört oder beschädigt wurde. Auch Kirchen und Kindergärten waren betroffen. Das illustrierte Buch ist daher auch ein Dokument für die Zeit vor diesen Zerstörungen.

1.1: Die Seiten des Bilderbuchs zum Durchblättern

In alphabetischer Reihenfolge sind folgende Kindergärten dargestellt: "Augusten", "Birkenwald", "Burg", "Charlotten", "Dobel", "Friedens", "Gänsheide", "Hospital", "Johannes", "Klingenbach", "Kathrinen/Leonhards", "Lerchenrain", "Lutherhaus", "Markus", "Martins", "Paul-Gerhardt", "Paulus", "Rosenberg", "Stöckach", "Wald", "Wartberg", "Weismann", "Weißenhof", "Wilhelms".

Transkription der Texte

AUGUSTEN
Augusten wird beneidet oft
Und jede Tante denkt und hofft,
in solchem Kindergarten sein,
das wär ein Leben hübsch und fein.

Die haben Heizung, Licht und Gas
Bei Tag und Nacht, dort ist’s ein Spaß
Fröhliche Kindertante sein.

Die Tisch und Stühlchen, alles neu
Spielzeug in Fülle auch dabei
In Wandschränken gut eingeteilt,
nicht wie bei mir so eingekeilt.

Im Garten draußen, höret nur,
von Mangel wieder keine Spur.
Sandkästen, viere an der Zahl!
Augusten! wär ich dort einmal!

Wenn etwas fehlt, wird’s angeschafft,
Geld haben die, s’ist fabelhaft
Und eine Pfarrfrau, lieb und gut,
Was die nur für die Kinder tut!


II
!Augusten! du begehrtes Haus!
Kommt alle, doch einmal heraus,
wir zeigen euch ein ander Seit
dann schwindet euer leiser Neid.

Die Heizung klappt bei Tag und Nacht,
das stimmt, doch gebet einmal acht,
die Kohlenferien fielen aus
das hat man vom Augustenhaus!

Das neue Spielzeug ist ja fein
Doch muss auch alles sauber sein
Der Glanz auf Schränken, Tischen, Stühl‘
Mahnt, regt euch, schafft und scwätzt nicht viel!

Am Samstag kommt die Putzfrau nicht.
Ein bisschen lang wird das Gesicht!!
Man holt den Schrubber aus der Eck!
In dem Augusten hat’s auch Dreck!

Und erst im Garten, ach der Sand
Entbehrt der reinen Freud‘, das Land
um den Augusten ist so heiß
und nur der Eingeweihte weiß,
wie die Augustenkinder schmachten
die Tanten fielen in Ohnmachten,
wenn nicht die Sonnenschirme wären
die diesen Sonnenstrahlen wehren.

III
Die aufzuspannen ist ne Plag!
Doch müssen wir es jeden Tag.
Die Finger klemmen wir uns ein.
Zum Halt dient dann ein schwerer Stein.

Dann schleppt man hin u. wieder her
Und seufzt, ach ist der Kerle schwer!
Augusten, ja, jetzt denkt ihr bloß
Sein Charme ist doch nicht ganz so groß.

Trotz alledem ist’s bei uns fein
Auch beim glutheißen Sonnenschein!
Wir lachen morgen so wie heut
Wir glücklichen Augustenleut!
L. K.

BIRKENWALD
I
Unser Häuslein klein und luftig
Birklein drum, zartgrün und duftig,
steht am Berg, guckt weit ins Land
der Birkenwald sind wir genannt.

Morgens wenn die Sonn‘ aufgeht
Sie gleich in unseren Fenstern steht;
Dann scheint sie uns den ganzen Tag,
wer da nicht fröhlich spielen mag!

Und wird’s zu eng uns in dem Haus
Ziehen fröhlich wir hinaus
Zum Bismarckturm zum Bergkirchlein
Zur Gartenschau geht’s auch hinein.

Wir singen und spielen
Feiern froh unsre Feste!
„das Haus in der Sonne“
wünscht von Herzen das Beste!
E. D.

BERG
Da liegt es ja wie eine Burg, sanft an des Berges Hang,
die Luft erfüllt vom Blütenduft, und von der Vöglein Sang.
Die grüne Wiese vor dem Haus steht schon zur Mahd bereit,
Und eine große Kinderschar, die tummelt sich im Frein‘
Sie bringen Blumen farbenbunt u. suchen Käferlein.
„Jetzt kommt der schöne Sommer bald“, so singt der Kinder Mund,
da steigen wir hinauf zum Wald, hinab in Tales Grund.

II
So herrlich ist das Leben draus zur schönen Sommerzeit,
doch ach, wie sieht es anders aus, im Winter wenn es stürmt und schneit.
Durch Berge von Schnee man zur Burg hinaufklimmt, so mühsam man schafft es kaum,
und ist man oben angelangt, wie eisig ist der Raum.

Die grimmig kalte Winterzeit nun ihren Einzug hielt,
doch wenn es irgend möglich ist, wird trotzdem hier gespielt.
Gar rasch vergeht dann diese Zeit, vergessen ist die Plag,
denn hinter all dem Winterleid
Lacht ein ferner Frühlingstag.
G. S.

CHARLOTTEN
I
Draußen in der Eckartstraße
Steht ein Gotteshaus ganz schlicht
Martinskirche ist sein Name
Darin ein Kindergarten ist.

Sonntags öffnen sich die Pforten
Für die betende Gemein‘
Werktags sind die Türen offen
Für viele rohe Kinderlein.

Als vor sieben Jahr erstanden
Ihre Mauern stark und hoch
War der Kindergarten immer
In der alten Heimat noch.

II
Niemand ahnt, dass bald in Kürze
Wandern muß von seinem Ort,
der Charlottenkindergarten,
er sollt‘ werden heimatlos.

Doch da ruft die Martinskirche:
„Liebe Kinder, kommt zu mir,
freundlich seid ihr eingeladen
kommt herein und bleibt bei mir!“

„Gerne will ich mit euch teilen,
geben, was auch nötig ist,
wohnet gern in meinen Mauern,
kommt im Namen Jesu Christ!“

Und der Kindergarten folget
Dankbar diesem Freundesruf.
O, wie freun sich da die Kinder
Mit den Eltern lieb und wert,
daß ein Haus sie nun gefunden,
das man ihnen nicht verwehrt.

-doch nur eines, das ist schmerzlich
Das die Kinder missen sehr,
daß sie nicht mehr einen Garten
keinen Sand zum Spielen mehr.

Scheint die Sonne warm und prächtig,
lockt zum Spiel ins freie sie,
ach, dann haben wir kein Plätzchen
das zu eigen nennen wir!

III
Sitzen wir im Hof beim Vesper
Freuen uns des Sonnenscheins
Stellen sich dann bald wie Wespen
Böse Schuler-Buben ein.

Und sie schwirren und sie toben
Stören Vesper, Sang und Spiel
Ach, man kann das gar nicht loben
Oft muß man ins Zimmer fliehn‘.

Wollen wir spazieren gehen
Ei, wie ist der Hang so weit
Rosenstein und Kirchengarten
Für die kleinen, kleinen Leut!

IV
Nur der Friedhof, der ist nahe
Doch ein Spielplatz ist es nicht,
„Immer schön in Reihen bleiben“!
Stets man zu den Kindern spricht.
Und daß ja kein Bub, noch Mädchen
Blumen von den Gräbern pflückt.

So, nun hab ich hier geschildert,
der Charlottenkinder Freud und Leid
ob sich doch ein Kinderfreund noch findet,
der sagt: „In meinen Garten kommt herein, es soll euer Freud und Wonne sein.“
P. K.

DOBEL
Wenn es gibt zu feiern Feste
Zu erfreuen viele Gäste
Ist in seinem Element
Der „Dobel“, den ein jeder kennt.

Da wird gesägt, geleimt, gepappt,
geprobt, gesungen, bis es klappt
prächtige Kostüme gerichtet
zuletzt noch „Kasperle“ gedichtet.

Und ist er da der große Tag
genug man nicht beschreiben mag
wie sie tanzen, spielen, springen
von Räuber und Prinzessin singen.

Verlosung, Glücksack, Koffer, Kuchen
Alles reichlich zum Versuchen,
winters sie im Saal aufwarten,
sommers am Berg im Dobelgarten.

Im Dobel bunt ist’s ganze Jahr
Drum kommt auch heut die frohe Schar
Zu wünschen Freud zu aller Tat
Dem lieben Herren Kirchenrat.
E. D.

FRIEDENS
Wie ist’s im Sommer doch so schön
Wenn wir in unsern Garten gehen
Wie friedlich spielen unsre Kinderlein
Sich tummeln im warmen Sonnenschein.

Zwei Bäume stehen in unsrem Garten,
an heißen Tagen, wie fein ihr kühler Schatten.
Einst war es anders als wie heute,
hört einmal zu ihr lieben Leute:

da waren es der Bäume sieben
nur zwei davon sind dageblieben,
Wie waren so betrübt die Tanten
Und die Notwendigkeit sie nicht erkannten.

Doch wo einst standen stolz die Bäume
Sind jetzt hohe, weite Räume,
darinnen feiert Jahr für Jahr
das Christfest unsre Kinderschar.

Der Weihnachtsbaum mit seinem Glanz
Ersetzt die Kastanienbäume ganz.
Wir laden euch heut schon zum Feiern ein
Mit unsern frohen Kinderlein.
K. D.

GÄNSHEIDE
I
Gänsheide du lieblicher Ort, wo viel Kinder
fröhlich sich tummeln jahraus und jahrein
eng ist das Stüblein besonders im Winter
Doch kommt mal im Sommer, da ist es fein.

Blühende Zweige sich wiegen und neigen
Fast bis auf den Boden zum duftigen Gras
Gerne die Buben ihr Lager euch zeigen
Die Mägdlein dort drüben erzählen sich was.

II
Rettich, Spinat und viel gute Dinge
wachsen gar lustig in unserem Beet,
sind sie erst reif, wir ernten geschwinde
Und gleich wird neuer samen gesät.

Steine zwar gibt’s auch und Schutt gar nicht schön
Doch sehet, wie fein sich dort drüben
Röslein rot ranken und anmutig stehn,
wer sollte das Plätzlein nicht lieben.
E.D. (?)

HOSPITAL
I
Inmitten der Häuser steht er als „Mal“
Der Kindergarten -Hospital-
Das Haus steht unter Denkmalschutz
Und bietet jeder Neu’rung Trutz.

Fängt der Ofen auch zu rauchen an
In diesem Haus wird nichts getan.
Doch es raucht u. raucht u. raucht
bis es Kinder, Hausbewohner, Tanten schlaucht.

Der Schornsteinfeger wird geholt
daß seine Fachkraft helfen sollt
doch auch der nicht helfen kann,
der Rauch er fängt von Neuem an.

Fräulein Römer, Frau Gugel, die Tante dazu
Fragen, geht das mit rechten Dingen zu?
Nun sagt der Putzfrau beherzter Mann
„Ihr Frauen wollt nur nicht richtig ran!“

II
Und nimmt von der Wand den großen Haken
Und schlägt in des Ofens rebellischen Magen.
Doch am unrechten Platz geschlagen
Kann auch ein Ofen nicht vertragen;

Ein Knall dringt durchs Haus so fürchterlich.
„Schnell“, Herr Gugel, nun rette dich!
Doch wie Herr Lehrer Lämpel schaut, o Graus
Dieser tapfre Mann nun aus.

Die Frauen laufen auf die Seit,
„die Männer sind ja so gescheit!“
Traurig geht er weg, im Herzen Reue
Der Ofen? - - ja, der raucht aufs Neue.

Bis endlich wird der Schaden doch behoben
verstopft war das Kamin bis oben.
Ja, das Haus steht unter Denkmalschutz
und bietet jeder Neuerung Trutz.
I. S.

JOHANNES
I
Es ist ein schöner Maientag
An dem sich jeder freuen mag.
Vöglein singen laut und leis
Stimmen ein zu Gottes Preis

All die bunten Blümelein
Blühn im Garten und am Rein;
Hinaus zieht’s jeden da mit Macht
Zu sehen all die Farbenpracht.

Die Tanten und die Kinderlein
Woll’n sich auch des Schönen freun
„Aufstellen“ heißt es nun geschwind,
dabei sein will doch jedes Kind.

II
Ein großer Zug bewegt sich dann
Am Hasenberg die Steig hinan,
weiter läuft die kleine Schar
manches zählt noch nicht 3 Jahr.

Oben winkt ein schattig Plätzelein
Die Müh wird dort vergessen sein.
Am blauen Weg ei, seht nur, seht!
Wer da mit einemmale steht!
Herr Kirchenrat mit seiner Frau
besieht die Kinderschar genau.

Erst zählt er sie, dann gibt er’s auf:
„das hört und hört ja nimmer auf!“

III
100 sind’s wohl an der Zahl,
wenn man alle zählt zumal.
Wir ziehen dann vergnügt und heiter
Vorbei an ihm und als noch weiter.

Herr Kirchenrat wohl denkt alsdann:
„Ich bin doch froh, daß ich ein Mann
und muß nicht mit dem großen Haufen
tagaus tagein spazieren laufen!“

Doch wir tun’s gern, uns macht es Freud‘
zu sein die ersten Wandersleut‘,
die mit hellem Aug‘ und Sinn
zieh‘n durch Gottes Welt dahin!
H. E.

KLINGENBACH
I
Im Klingenbach, da ist es fein,
wie scheint die Sonne hell herein.
Durch breite Fenster, klares Glas
Der niedre Sims der Kinder Spaß. –

Wo ist denn aber nun der Bach?
Vergeblich schaut man aus danach.

II
Dort wo einst des Baches Bett
stehn nun Häuser schmuck und nett.
Für viele Leute groß und klein
Solen sie bald Heimat sein.

Wenn alles eingezogen man
Den Kindergarten brauchen kann.
Wir öffnen unsre Tore weit
Für die lieben kleinen Leut!

Und wollen für die Kinderlein
Ein Haus voll Freud und Segen sein.
E. D.

LEONHARDS (KATHARINEN)
I
Die Kinderpflege hat schon über hundert Jahr‘
Mit Treu gewirkt in unsrer Stadt
An großer Kinderschar.

Mit großer Liebe wurden sie
Gehegt, gepflegt, bereut.
Man scheute Kosten nicht noch Müh!
Wenn’s nur die Kinder freut!

II
Der Kindergarten wurde groß;
Da kam die Kündigung!
Der Schreck! - - - Wohin gehn wir bloß? –
So fragte Alt und Jung.

Wohin nun ziehn? Wir suchten lang
und fanden kein Lokal;
da wurde uns oft angst und bang: -
Absagen überall!

Im Leonhardsgemeindehaus
fand endlich sich ein Raum,
der schließlich könnte reichen aus,
denn viele weden‘s kaum.

III
So dachte man! – die N.S.V.
Beginnt im alten Haus,
da gehen nun viel zur N.S.V
und zieh’n nicht mit uns aus!

Im Juni ‚36 fand
Die Schar ihr neues Heim,
die Kinder an der Tante Hand,
die Möbel hintendrein.

War’s auch ein ungewohnter Raum –
Die treue Tante blieb!
Drum kammen viel, füllten den Raum
Der Tante nur zulieb!

IV
Als es zu voll, ein zweiter Saal
Noch Kindergarten wurd!
So viele Kinder kamen all‘
Zum Leonhardskindergart!

Der Leonhardskindergarten ist
Voll Jugend, Leben. Freud‘
In froher Kinderschar vergißt
Man Sorgen, schwere Zeit.

Gott schütz‘ die frohe junge Schar
Und das Gemeindehaus!
Gott schenk‘ bald Frieden! Laß viel Jahr
Des Segens werden draus!
F.

LERCHENRAIN
I
Wo könnt‘ es doch wohl schöner sein
Als im Kindergarten im Lerchenrain!
Stets sieht man hier viel frohe Kinder
Im Frühling, Sommer Herbst und Winter.

Sie freuen sich am Sonnenschein
Am Garten und am Blümelein.
Der Wald, der lockt sie oft hinaus,
was gibt’s doch all zu sehen drauß!

II
Gestreichelt will der Schneck doch sein,
bewundert wird ein Käferlein.
„Tante guck, was war denn das?“
„Ein Eichhörnchen, ei, welch ein Spaß!“

„O Tante, sieh, ein Blümlein fein,
wer hat’s gemacht, wer wird das sein?“
Und fröhlich schallt’s dem Schöpfer droben:
„Lieber Gott, ich will dich loben!“

III
Im Garten steht ein Birkenbaum,
ja, denket nur, man glaubt es kaum,
ein Finkenpaar sein Nest hier baut,
ist bald bekannt und wohlvertraut.

Schon sitzen Vogelkinderlein im Nest,
die Alten füttern sie auf’s best.
Sie fliegen immer hin und her,
die Schnäbelein wollen immer mehr!
Die Kinder vergessen das Singen und Springen
sie sind kaum mehr wegzubringen.

IV
Ja sie wissen freilich gut,
wo viel Kinder sind in Hut,
da können wohl die Vögelein
noch bringen ihre Kinderlein.
Drum fröhlich stellen sie sich ein
Im Kindergarten am Lerchenrain.

Wir Tanten, Kinder und Vögelein,
möchten gern beim Fest heut sein,
wir wünschen herzlich groß und klein,
viel Gutes dir und singen fein:
„Viel Glück und viel Segen
Auf all deinen Wegen!“
M. M.

LUTHERHAUS
I
Was kann vom Osten Gutes kommen?
So heißt es heut in Stadt u. Land
So denkt man auch vom Osten Stuttgarts,
wem wäre das nicht wohlbekannt.

Doch ist’s nicht immer so im Leben?
Wo Schatten ist, da ist viel Licht?
Und unter manchem Schutt verborgen
Fehlt’s doch an vielem Schönen nicht.

Das Lutherhaus, das steht im Osten
Und hat für viele Kinder Raum;
Das ist auch nötig, denn die Gegend
Hat massig Kinder, ihr glaubt’s kaum.

Hier stehen eng die Häuser alle,
s’ ist ein dicht besiedelt Land;
viel Familien gibt’s, die werden
vom Staate kinderreich genannt.

II
Ganz in der Nähe hat das Gaswerk
Drei Kessel, schwarz und riesengroß;
Doch, wenn sie einmal versagten,
was wäre dann mit Stuttgart los?

Der schwarze Ruß, s‘ lässt sich nicht leugnen
Gehört zur Gegend, wie der Baum;
--- viele weiße Kinderhände---
das ist unsrer Tanten Traum!

Doch hat die Gegend auch viel Schönes:
Die Villa Berg, den Neckarstrand
Und von der Ferne grüßt herüber
Der „Rote Berg“ uns wohlbekannt.

Das Lutherhaus steht in der Mitte
Es möchte eine Hilfe sein
Für all die vielen, vielen Menschen
Für viele Hort von Groß und Klein.

Drum wollen wir dem Osten dienen
Trotz all der Schwierigkeit und Not
mög über all dem Dunkel leuchten:
„Ein feste Burg ist unser Gott!“
E. K.

MARKUS
I
Ei wie ist die Welt so schön
Kann man sie von oben sehen,
also denkt der Gockelhahn
und sieht sich die Gegend an.

II
Nach den Schwalben schaut er hin
Und sieht da die Wolken ziehn
Auch die Flieger mit Gebrumm
Schwirren in der Luft herum.

Wenn dann bläst ein starker Wind
Hui, da dreht er sich geschwind
Denn gar fröhlich Tag und Nacht
Er die Markusg’meind bewacht.

Ja er kennt sich sehr gut aus
Weiß auch von dem netten Haus
Wo die vielen Kinderlein
Täglich gehen aus und ein.

III
So bleibt er am liebsten stehn
Um den Spielplatz dort zu sehen
Und er schaut in aller Ruh‘
Den Kindern eine Weile zu.

In dem Garten klein und fein
Wachsen viele Blümelein
Und wie da die Sonne gut
Nach dem langen Winter tut.

All das sieht der Gockelhahn
Und hat seine Freude dran
„Wo mag nur Tante Martha stecken,“
Nirgends kann er sie entdecken.

IV
Und der Kirchhahn blicket stumm
Auf dem ganzen Platz herum –
Nach den Jahren all den langen
Ist sie in den Ruh’stand gangen.

Und dann zählt er all die vielen
Die dort an der Sandkist spielen.
Glatte, krause, dunkle, helle
Köpflein füllen aus die Stelle
Wo am Mittag, grün und leer
Siehet einen Garten er.
Ei, wie ist die Welt so schön,
kann man sie von oben sehen!

Also denkt der Gockelhahn
Und sieht sich das Treiben an
Plötzlich kommt ein starker Wind
Und er dreht sich nun geschwind.
L. K.

MARTINS
I
Fast unterm Blätterdach verborgen
Geschützt vor’m heißen Sonnentrahl
Lebt ein Völklein, frei von Sorgen
Spielt und freut sich allemal,
wenn’s gelingt schnell zu erjagen
ein Plätzlein an der Sonne warm;
dann wird ein Bänklein hergetragen
gewiegt das Püppchen auf dem Arm.

II
Und geturnt wird an dem Barren
Geübt sich im gewandten Spiel
Gefahren mit dem Zweiradkarren
Soldat zu werden ist ihr Ziel.

Alle Buben folgen gern
Dem Hauptmann Fritz, er kann’s aufs best.
Stramm stehen muss ein jeder lernen,
besonders heut, am großen Fest.

Achtung, jetzt, und stillgestanden
Die Augen links, geradeaus
Auf alle, die uns vorgestanden
Bringen wir ein „Hurra“ aus!
E. D.

PAUL GERHARDT
I
Der Schöpfung Gottes, der Natur
Konnt sich Paul-Gerhardt herzlich freuen,
drum tat er auch zu Gottes Preis
ihr viele schöne Worte weihen.

In Stuttgart kanns nicht anders sein,
als in Paul-Gerhardts Welterleben:
Paul-Gerhardt-Kindergartenland
Ist rings von der Natur umgeben.

Im Vogelsang, beim Hühnerhof
Wo schöne Schmetterlinge gaukeln
Blühn Menschenkinder mannigfach,
Viel Blümlein sich im Winde schaukeln.

II
Wenn alles steht in schöner Pracht,
so dürfen’s ander auch genießen,
und in der Stadt gibt’s hin und her
durch Blumensträuße frohes Grüßen.

In der Marienstraße auch
Ist solcher Gruß kein unbekannter.
September ist die beste Zeit,
wenn bunt die Blumen stehn bei’nander.;

Mal gleich am Anfang oder bald
Oft auch erst am Monatsende
Der Gruß kam nie am rechten Tag,
obwohl stets in die rechten Hände.

Da lob ich mir Frau Kirchenrat,
ihr Rat, der war der beste:
„Er macht am allermeisten Freud‘
Am 11. „seinem Wiegenfeste!“
Zum 11. Sept.

PAULUS
I
Pauluskindergarten im Vogelsang
Hat nicht sein Name guten Klang?
Dem Apostel Paulus wir sind geweiht
Zu dienen er auch uns geleit.

Nach des Apostels guter Weise
Senken wir bald laut, bald leise
Den Namen Christ’s, ihr Herren fein
In unsrer Kinder Herzen ein.

Im Vogelsang tut man auch singen
Dem Schöpfer Lob und Dank darbringen
Drum wetzen wir de Schnäbelein
Bei Regen und bei Sonnenschein.

Auf Erden nichts vollkommen ist,
das merken wir zu jeder Frist,
denn ganz wie unser Schutzpatron
entbehren wir den ird’schen Lohn:

Uns fehlt ein großes, weites Haus
Oft sah man gar nicht ein noch aus
Doch ist gebessert manches heute,
kommt nur, es wird euch machen Freude.

II
Daß nicht alle Not behoben
Kann merken man an unsrem Boden:
Er ist nicht schalldicht, o wie schade,
doch manchem nützet das gerade.


An einem klaren Sonntagmorgen
Tut unser Chef dem Rufe folgen
Der bringt ans Herze der Gemein‘
„Kommt stellet euch zur Predigt ein!“

Doch er der sonst für Pünktlichkeit
Verpasste da die rechte Zeit
Und kam erst vor der Saaltür an
Als die Predigt schon begann.

Und was er selber nicht kann leiden
Das tut er nun gewandt vermeiden:
Er stört die Gemeinde nicht,
setzt sich in Trab und schwinget sich
ein Stockwerk höher in dem Haus
verschnaufet sich dort gründlich aus
und höret dann in guter Ruh
was ihm von unten strömet zu.

Doch heute sitzt er nicht allein
Wir kommen her in bunten Reih’n
Zu gratulieren ihm von Herzen
Hell brennen drinnen Geburtstagskerzen
So wie ihr heller goldner Schein
Mög Gottes Freude um ihn sein,
laß spüren ihn zu aller Zeiten:
„Ich bin getreu, ich will dich leiten!“
E. W.

ROSENBERG
I
Vom Rosenberggemeindehaus
wo viele Kinderlein
gar fröhlich gehen ein und aus
Wir heute kommen rein.

Viel Kindlein bringen wir dir mit
Und spielen dir was vor
Und singen unser schönstes Lied
Erfreuen soll’s dein Ohr.

II
Nimmer wollen wir vergessen
Die Kindergartenzeit
Wo auf Stühlchen wir gesessen
Bereit zu hören alle Zeit.

Von Herzen danken möchten wir,
daß du uns hast geleit’t
durch manche Not und Ungemach
der vielbewegten Zeit.

Des lieben Gottes reicher Segen
Begleite dich jahraus, jahrein
Behüte dich auf deinen Wegen
Und schenk des Friedens Sonnenschein!

STÖCKACH
I
Von Süd und Nord, von Ost und West
Kommt alles zu dem großen Fest
Und bringt viel gute Wünsche dar
Dem Chef, der gute sechzig Jahr.
Der Stöckach auch, der einst genannt:
„der Kindergarten im Ausland.“

II
Im Häuslein, mit viel Lieb erstellt
Für eine große Kinderwelt
Ist’s recht lebendig s’ganze Jahr.
Kinderraugen gucken klar
Wenn zur Schul im Turmstüblein
Herr Kirchenrat schnell schaut herein.
Von Herzen Gottes Segen heut
Wünschen ihm die Stöckachleut!

WALD
I
Ein Kirchlein steht am Waldesrand
Gar fröhlich ziehen Hand in Hand
Viele muntre Kinderlein
Dort zu Spiel und Singen ein.

Sie spielen, turnen, hören auch
gar gern Geschichten wie es Brauch.
Doch manchmal heißts, „ganz stille sein,
weil grad ein Hochzeitszug zieht ein!“

II
Scheint die Sonn, geht’s gar bald
Hinüber in den luft’gen Wald.
Was‘ alles da zu sehen gibt
Wie jedes Blümlein wird gepflückt.

Und jetzt wird noch ein Kranz gemacht
Zum Fest heut Mittag hergebracht;
Mit vielen Wünschen groß und klein
Soll’s ein Geburtstagskränzlein sein.
E. D.

WARTBERG
I
Wer meint, man könnte talwärts sehen
Weil „Wartberg“ unser Garten heißt,
man könnt auf Bergeshöhen stehen,
wo leichtbeschwingt der Vogel kreist.
Der laß ein’s andern sich belehren:
Viel Stufen geht’s zuvor hinab,
man windet sich an manchen Kehren
an Kisten, Gläsern, Fässern ab.

Ein Rüchlein Essig, eins von Kraut
Steigt dir in deine Nase hoch,
ein Wagen sich vor dir aufbaut,
ein Mann aufsteigt aus einem Loch.

Hast du das alles überstanden
Kannst du getrost hier treten ein,
denn Blümlein sind‘s, die uns umranken
und laden dich zum Bleiben ein.

II
Ein Stüblein traut voll von Behagen
Viel Kinderlein mit hellem Blick
Sie tun dir Grüße nun zutragen
Erzählen dir von ihrem Glück.

Es strahlet so besonders helle
Der blanken Äuglein warmer Glanz,
denn Einer feiert heut sein Feste
dem ihre Herzlein g‘hören ganz.

Der Kindergarten lieber Vater,
er zählet heute 60 Jahr
der Tanten freundlicher Berater
ihm bringet eure Wünsche dar:

Weil seine warme Lieb uns allen
Ob Groß, ob Klein, die Tag erhellt
Laß Gott auch seine Liebe fallen,
auf ihn in dieser dunklen Welt.

Verschonen mag er ihn vom Leide,
und schenken ihm Gesundheit viel,
auch wollen wir ihm manche Freude
noch oft mit unsrem Sang und Spiel!
E. W.

WEISMANN
I
Von Südheim mussten wir einst wandern,
das schöne Haus überlassen den andern,
von Garten, Wiese und grünem Wald
wir sollten scheiden, ach, so bald!

Doch ein Trost ist uns geblieben:
Unsre Kinderlein, die lieben,
sie ziehen mit ins neue Heim,
wenn es auch eng und fast zu klein.

II
Trotz Wind und Sturm, trotz Schnee und Eis
Kommen sie mit großem Fleiß
Vergnügt und fröhlich alle Tag
Der Weg sie nicht verdrießen mag.

Ist auch bescheiden nur der Garten
Freuden sind genug zu erwarten
Das weiß auch schon der kleine Peter,
der kommt halt gar so gern wie jeder.

Doch leider sagt die Mutter: nein!
Du mußt zur N. S. V. hinein.

Der Peter, der ist sehr betrübt
Er hat doch alles soo geliebt,
ganz heimlich kommt er oft herein
möchte halt so gerne bei uns sein.

III
Ein Schifflein hat er mitgebracht,
das aber doch nur Freude macht,
wenn es schwimmt auf Wassers Flut;
zur Tante drum mit frohem Mut:

„Für’s Schifflein möchte ich Wasser auch,
du weißt doch, daß ich das jetzt brauch’
die andre Tante macht es gar nicht richtig,
ist nicht, wie du, so wassertüchtig!“

IV
Die ganze frohe Kinderschar
Bringt nun viel gute Wünsche dar:
„Zum 60. Geburtstagsfeste
Wünschen wir das Allerbeste!“
M. M.

WEISSENHOF
I
Der Weißenhofkindergarten im Jahreskreis

Spätherbst 41
Die Kapuzenzeit hat eingesetzt. Die Kapuzenmäntel häufen sich. Fast zehn mal 7 Zwerge in allen Farben pilgern täglich in den Kindergarten. Dort werden Drachen fabriziert; der Letzte ist fertig, als die ersten Flocken fallen.

Winter 41/42
Mit Freudengeheul wird der erste Schnee begrüßt. Er verschwindet aber bald wieder. Nebel braut im Tal. Auf unsrer Hochfläche sieht man bald wieder den „Roten Berg“ und die vielen anderen Hügel ums Stuttgarter Tal aufsteigen. Gerhard, der jeden Morgen die „Tante“ an der gelben Straßenbahn mit den blauen Fenstern abholt, berichtet jeden neuen Kältegrad. Und eines Tages heißt es: „Jetzt darf man nicht mehr abholen, sonst friert man am Boden an.“ Und es wird handfester Winter da oben. Während sich in der Stadt unten im Lauf der Wochen schwarze Schneehäufen türmen, glitzert bei uns die schönste Schneelandschaft. Die Kinder kommen auf Schlitten und Skiern dick vermummt und mit

II
von der Schneeluft geröteten Backen im Kindergarten an. Im Durchschnitt hat jedes Kind siebenerlei warme Hüllen, aus denen es sich herausschälen muß. Die Häuschen mit den kleinen Vorgärten am Bismarckturm, Kochenhof, Weißenhof sind so verschneit, daß man bei Besuchen fast keinen Eingang findet.

Frühjahr 1942
Schließlich müssen auch diese Schneemassen der warmen Frühlingssonne weichen. Eine dicke Eiskruste zeigt sich auf den Straßen und zwischendurch breite und schmale Rinnsale. Auf ihnen kann man fein Schiffle und anderes schwimmen lassen und man kommt deshalb sehr spät und mit nassem Trainingsanzug im Kindergarten an. Der Frühlingswind wird nun immer ungebärdiger. Bald ist die Straße sauber gefegt. Die Mägdlein tragen beim Spielen im Hof Tüchlein um den Kopf, die Buben Mützen, sonst kriegt man Ohrenweh.

III
Die zwei Staudenbeete werden gesäubert, der Sandkasten in Ordnung gebracht und bald ist munteres Leben unter den Nußbäumen.

Sommer 1942
Die Fernsicht von der Höhe des Weißenhofs ist zauberhaft schön. Bald steigen die Flaggen am Eingang der Reichsgartenschau, die Tore tun sich weit auf. Damit beginnt die Glanzzeit des Kindergartens. Am Morgen eines jeden schönen Sommertags ziehen die Kinder in langem Zug in ihr Reich ein. Nur ganz wenige Besucher sind da. – Alles gehört uns: die vielen Blumen, die duftenden Akazien, die Flugzeuge und der niedliche Panzerkreuzer.

IV
Die 1000 Kohlköpfe mitsamt dem kaffeebraunen Mann, der sie begießt, der herrliche Kirschbaum, der Heuschreck, der über den Weg hüpft, die Rehfamilie und die Störche. Wie gut, daß die stolzen Königskerzen beim Mähen verschont bleiben, jetzt holen sich Bienen und dicke Brummer ihre Nahrung aus den gelben Blüten. Ein kleines Volksfest haben wir jeden Tag auf dem Spielplatz mit Rutschbahn und Karussell. Aber auch der Himmel gehört uns mit seinen Wolkenbergen, Blitz und Donner und Sturm.

V
Der Heimweg ist oft heiß und Hansi kommt auf die Idee, sich seines einzigen Kleidungsstücks zu entledigen und in dem runden Brünnchen am Kochenhof mit den Spatzen in Bad zu nehmen. Leider kommt das zu Ohren der Tante und man muß künftig sein Spielhöschen anlassen und auf die Abkühlung verzichten. Auf dem langen Schulweg gibt’s aber noch mehr Versuchungen: Eine tiefe schwarze Dohle, die man bäuchlings auf der Straße besichtigen kann. Aber das ist leider auch nicht recht, wegen der Autos, die in sausender Fahrt von der Doggenburg herkommen.

VI
Bei den Schäflein, die schon viele Wochen da oben weiden ist’s ungefährlicher. Jetzt sammeln sich schon die Schwalben. Die Staudenbeete im Hof blühen noch einmal in den buntesten Farben. Bald wird sich der Jahreskreis geschlossen haben und das Leben zieht sich wieder in die vier Wände des Kindergartens zurück.
H. F.

WILHELMS
I
Mit fragenden und bangenden Herzen
Voll von Sorgen und von Schmerzen
Sah’n die Wilhelmspflegetanten
Jeden Tag, dem wohlbekannten
1. November früh entgegen:
„Kommt Leid uns heute oder Segen?“

Und als der Tag dann war gekommen
Ein wenig noch das Herz beklommen
Verschwanden gleich am frühen Morgen
Der beiden Tanten große Sorgen;
Da stand der richtige Berater:
Unser Kindergartenvater.

II
Er konnte schon in vielen Stürmen
Das Haus und alle drin beschirmen;
Wenn nötig fährt er drein wie Blücher
Des sind wir allzeit froh und sicher.
Drum viele Liebesgrüße starten
Von unsrem Wilhelmskindergarten.

Unsrem lieben Chef Herrn Dölker
Der für viele Kindervölker
Stets der erste Führer war
Bringen wir viel Wünsche dar:
„Gott möge ihn in künftgen Zeiten
Mit seinem reichen Segen leiten!“
O. R.

2: Provenienz

Der Evangelische Landesverband Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V. hat 2010 seinen Bücherbestand an die Landeskirchliche Zentralbibliothek abgegeben.

Unter den rund 130 Büchern befand sich auch das handgemalte Bilderbuch von Elisabeth Dinkelacker über die 24 Stuttgarter Kindergärten, das seither in der Museale Sammlung des Landeskirchlichen Archivs aufbewahrt wird.

3: Elisabeth Dinkelacker

Die Illustratorin Elisabeth Dinkelacker (1913-2001) hatte eine Ausbildung zur Kindergärtnerin absolviert, bevor sie an der Stuttgarter Kunstakademie Grafik studierte. Sie gestaltete und zeichnete Karten, Kalender, Losungen, Fleißbildchen, illustrierte Bücher. Vieles ist im Verlag Junge Gemeinde, Stuttgart oder im Verlag Ernst Kaufmann, Lahr erschienen. 

4: Der Verein für Kleinkinderpflegen

Die Geschichte des Vereins für Kleinkinderpflegen beginnt im 19. Jahrhundert. Die Auflösung der Großfamilie im Zuge der Industrialisierung hatte dazu geführt, dass viele Kinder ohne Betreuung blieben. In ganz Württemberg entstanden sogenannte Rettungsanstalten, um der drohenden Verwahrlosung der Kinder entgegen zu treten. In zahlreichen Städten und Gemeinden wurden zusätzlich sogenannte Kinderbewahranstalten eingerichtet – die Vorläufer der Kindergärten. Die anfängliche bloße „Aufbewahrung" der Kinder wich bald pädagogischen Konzepten, wie sie vor allem der Thüringer Pädagoge Friedrich Fröbel entwickelte, der als der Begründer des Kindergartens gilt.

Den ersten evangelischen Kindergarten in Stuttgart gründete im Jahr 1862 ein „Damenkomitee". Um weitere Initiativen zu unterstützen, wurde auf Betreiben des Stuttgarter Kaufmanns Heinrich Lotter 1839 der Verein für Kleinkinderpflegen ins Leben gerufen. Von da aus dehnte sich das Werk auf das ganze Land aus, und bis 1848 bestanden schon in 99 Orten Kleinkinderschulen mit über 6500 Kindern.

1926 wurde der Evangelische Landesverband für Kinderpflege in Württemberg gegründet. 1956 vertrat er schon 900 Einrichtungen. Heute gehören ihm, unter dem Namen Evangelische Landesverband Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V. über 2000 Einrichtungen an. Ziel des Verbandes ist, in evangelischer Verantwortung Sorge zu tragen für Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern. Daher unterstützt der Verband Träger und Einrichtungen in ihren organisatorischen, planerischen und pädagogischen Aufgaben. Zugleich gestaltet er die politischen Rahmenbedingungen der Kinderbetreuung und der Elementarpädagogik mit.

Aktualisiert am: 14.09.2020