Weltgebetstag

Von: Kittel, Andrea

Inhaltsverzeichnis
  1. 1: Erste Initiativen in den USA
  2. 2: 1947 als Geburtsjahr des Weltgebetstags
  3. 3: Der Weltgebetstag kommt nach Württemberg
  4. 4: Vernetzung
  5. 5: Auseinandersetzungen in Württemberg
  6. 6: Auslöser für Initiativen
  7. 7: Unterstützung weltweiter Projekte
  8. 8: Feiern, Experimentieren, Grenzen überschreiten
  9. Anhang

Immer am ersten Freitag im März wird der Weltgebetstag der Frauen begangen. Christinnen unterschiedlicher Konfessionen feiern an diesem Tag weltweit Gottesdienste in 113 Sprachen. Jedes Jahr schreiben Frauen aus einem anderen Land die Gottesdienstordnung und bringen in die Texte und Gebete die eigenen Hoffnungen und Ängste, die Freuden und Sorgen, die Wünsche und Bedürfnisse sowie die eigene kulturelle Vielfalt mit ein. Der Weltgebetstag entwickelte sich in den letzten 130 Jahren zur größten ökumenischen Basisbewegung.  Unter dem Motto „Informiert beten – betend handeln“ engagieren sich Frauen dafür, dass Frauen und Mädchen überall auf der Welt in Frieden, Gerechtigkeit und Würde leben können.

1: Erste Initiativen in den USA

Erste öffentliche gemeinsame Gebete von Frauen gab es in den USA. 1812 rief die Baptistin Mary Webb in Boston Frauen zu monatlichen Gebetsversammlungen für die Mission auf. Missionarsfrauen aus verschiedenen Teilen der Welt schickten Informationen und baten um spirituelle und finanzielle Unterstützung für ihre Arbeit. Gebet und Aktion waren also schon in den Anfängen verknüpft. Ehrenamtliche Wohltätigkeit war damals die einzige Möglichkeit für Frauen in Kirche und Gesellschaft einigermaßen anerkannt mitzuwirken. Das missionarische Engagement ermutigte Frauen schließlich selbstständige Wege zu beschreiten: Ab 1833 bildeten sich in England eigene Frauenmissionsgesellschaften, ab 1861 in den USA. Gegen den Widerstand der Männer wurden seit 1937 in den USA Frauencolleges gegründet, in denen Lehrerinnen und Ärztinnen für die Mission ausgebildet wurden. Diese alleinstehenden berufstätigen Frauen veränderten das Frauenbild im eigenen Land nachhaltig. Evangelisation, Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsarbeit in der Inneren und Äußeren Mission gingen eine enge Verbindung ein, und zunehmend waren Frauen daran beteiligt.

Ab 1887 pflegten Frauen verschiedener Konfessionen in den USA und in Kanada unabhängig voneinander jährliche Gebetstage. Die Methodistinnen nahmen als erste Kontakt zu anderen Glaubensgemeinschaften auf und luden ein zum gemeinsamen Gebet. Als die Presbyterianerin Mary Ellen James 1897 auf das Elend der Einwandererströme aufmerksam machte und zu einem Gebetstag für die Inlandsmission aufrief, taten sich sieben verschiedene Konfessionen zusammen und feierten den ersten interkonfessionellen Gebetstag. Motivierend für eine künftige Zusammenarbeit waren auch die Feierlichkeiten des 50jährigen Jubiläums der „Frauenmissionsgesellschaften für Äußere Mission“ 1910/11 mit hunderten Großveranstaltungen. Die Organisatorinnen Lucy W. Peabody und Helen Barett Montgomery konnten in unzähligen Reden überzeugend darlegen: Gemeinsam können wir mehr erreichen als getrennt! So wurde 1912 auch für die äußere Mission ein gemeinsamer ökumenischer Gebetstag begangen. Die Katastrophe des Ersten Weltkriegs schließlich führte die Notwendigkeit vor Augen, sich für die Überwindung von Grenzen einzusetzen. Internationale Freundschaft, Weltmission und Weltfrieden entwickelte sich zu einem zentralen Anliegen. In diesem Geist wurden die beiden ökumenischen Gebetstage der inneren und äußeren Mission zusammengelegt und ab 1920 ein Vereinigter Gebetstag für die Mission gefeiert.

2: 1947 als Geburtsjahr des Weltgebetstags

Christliche Frauen aus den USA und Kanada verschickten Statements der Vision einer Weltgemeinschaft christlicher Frauen und riefen erstmalig zu einem ökumenischen Gebet weltweit auf. Das Echo war enorm: In China, Indien, Polen, Syrien und anderswo schlossen sich Christinnen an. 1929 feierten den Tag bereits Frauen in 30 Ländern, darunter neun europäische. In Deutschland waren es die international gut vernetzten methodistischen Frauen, die die Idee aufgriffen und sich beteiligten.

Zwei Methodistinnen waren es dann auch, die den Impuls ins besiegte Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg trugen. Die Amerikanerin Stella Dueringer-Wells, deren Mann bei der amerikanischen Zivilverwaltung im besetzten Berlin arbeitete und Luise Scholz, die Vorsitzende des Methodistischen Frauendienstes in Deutschland, besorgten kurzerhand eine Liturgie, ließen diese übersetzen und unter abenteuerlichen Bedingungen drucken. Am 22. Februar 1947 begingen 600 Frauen im zerstörten Berlin einen ökumenischen Weltgebetstagsgottesdienst. Amerikanische und englische Frauen der Siegermächte feierten gemeinsam mit deutschen Frauen trotz des Fraternisierungsverbotes einen zweisprachigen Gottesdienst – nach einer Liturgie, die eine indische Christin ausgearbeitet hatte. Ein Jahr später waren auch russische und französische Frauen aus den anderen Besatzungszonen dabei. Die Schrecken der Kriegserfahrung und die Hoffnung auf Frieden nährten den Wunsch nach Verbindung mit den christlichen Frauen der Welt und verschafften dem Weltgebetstag schließlich Eingang und breite Resonanz in Deutschland.

3: Der Weltgebetstag kommt nach Württemberg

Dr. Antonie Nopitsch (1901-1975)

In die evangelische Frauenarbeit wurde der Weltgebetstag durch Antonie Nopitsch eingeführt. Als Leiterin des Bayerischen Mütterdienstes hatte sie ihn während einer USA-Reise und bei der Gründungsversammlung des Ökumenischen Rates in Amsterdam 1948 kennengelernt. Schon ein Jahr später wurde auf ihre Initiative hin die Gottesdienstliturgie in Stein bei Nürnberg gedruckt und 10.000 Exemplare deutschlandweit verschickt. Von da an wurden es jedes Jahr mehr.(1) Auch die Leiterin der Frauenhilfe in Württemberg, Gertrud Mohrmann, war sofort begeistert, als sie 1948 bei einer Tagung der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland erstmals vom Weltgebetstag hörte. Sie nutzte ihren Verteiler, um die Idee in Württemberg bekannt zu machen.

Das Spektrum der Konfessionen, die den Weltgebetstag feierten, wuchs stetig. Lange Zeit war der Weltgebetstag eine protestantische Bewegung, doch in wachsender Zahl beteiligten sich auch römisch-katholische Frauen. 1971 beschloss die Weltunion der katholischen Frauenorganisationen ihren bis dahin zu Mariä Verkündigung gefeierten eigenen Gebetstag zugunsten des Weltgebetstages aufzugeben. Damit ist gelungen, was bisher noch keine kirchliche Organisation geschafft hat: eine umfassende ökumenische Zusammenarbeit aller christlicher Konfessionen auf Weltebene.

 

 

4: Vernetzung

Logo

In den Anfängen wurde der Weltgebetstag von der Geschäftsstelle in New York aus organisiert. Seit 1968 ist das internationale Weltgebetstagskomitee zuständig, dem mittlerweile Delegierte aus 120 Ländern angehören. Die Regionen Afrika, Asien, Europa, Karibik-Nordamerika, Lateinamerika, Naher Osten und Pazifik entsenden je zwei Delegierte ins Komitee. So wird eine globale Perspektive in allen Entscheidungen des Gremiums sichergestellt. Alle fünf Jahre trifft sich dieses Gremium zu einer Konferenz auf einem anderen Kontinent. Die Delegierten legen für die nächsten Jahre Länder und Themen der Liturgien fest, befassen sich mit den örtlichen Problemen und nehmen die politischen und kulturellen Gegebenheiten zum Anlass, Maßnahmen zu mehr Gerechtigkeit und Frieden anzuregen. Eine Bibelstelle wird als Leitgedanke ausgewählt.

In vielen Ländern, auch in Deutschland, gibt es ein eigenes Länderkomitee. In ökumenischer Zusammenarbeit werden dort die Vorbereitungen der landesweiten Gottesdienste koordiniert und die Liturgien in ihre jeweiligen Landessprachen übersetzt. Die Länderkomitees entscheiden eigenständig über den Einsatz der Kollekten-Gelder. Das deutsche Komitee hat seine Geschäftsstelle nach wie vor in Stein bei Nürnberg und wird von 12 kirchlichen Frauenverbänden aus neun verschiedenen Konfessionen getragen. Dort wird jährlich umfangreiches Bildungs- und Vorbereitungsmaterial erarbeitet und in Fortbildungsveranstaltungen an Multiplikatorinnen weitergegeben. Die weitere Organisation liegt bei den regionalen Arbeitsgemeinschaften.


Armbändchen

Das ökumenische Team der Württembergischen Arbeitsgemeinschaft christlicher Frauen für den Weltgebetstag (WGT-AG) veranstaltet unter der Leitung der Evangelischen Frauen in Württemberg (EFW), die die Geschäftsführung innehaben, regionale Vorbereitungstage für Multiplikatorinnen. Diese tragen anschließend die Impulse für die Gestaltung der Gottesdienste in die Bezirke und in die Gemeinden. Die örtlichen Gruppen setzen sich anhand der Materialien mit den Anliegen der Schwerpunktländer auseinander, organisieren den Weltgebetstagsgottesdienst Anfang März sowie Veranstaltungen und Kampagnen das ganze Jahr über.

Diese Art Schneeballsystem ist wirksam bis ins Kleinste. So berichtete eine Ehrenamtliche aus Haigerloch beispielsweise, wie sich 1984 eine Gruppe Frauen beider Konfessionen zu den Vorbereitungen im evangelischen Pfarrhaus trafen. “Obwohl wir dicht gedrängt im großen Wohnzimmer saßen, kamen wir gut mit unserer Arbeit voran. Zum zweiten Vorbereitungs-Abend trafen wir uns im katholischen Pfarrheim. Es war ein gelungener Abend, die Gespräche, das Singen und die schönen Tische mit Tee und Kuchen. Zum Abschluss bekam jede Frau noch eine Vorbereitungsmappe mit Material zum Nachlesen.“(2) 14 Tage vor dem Weltgebetstag traf sich die Runde noch einmal und töpferte „130 kleine Tonkrüge, die dann am Weltgebetstag mit einem ‚Papiertropfen‘, auf dem ein Gebet stand, mitgegeben wurden.“(3)

Hier wird die Qualität dieser Laienbewegung spürbar: Gemeinschaft erleben und im persönlichen Kontakt an gemeinsamen Anliegen arbeiten, lässt Konfessionsgrenzen in den Hintergrund treten – selbst in den 1980er Jahren, als das Verhältnis von Katholischen und Evangelischen allgemein noch recht kühl war. Deshalb sieht das Konzept des Weltgebetstags vor, dass vor Ort bei der Ausgestaltung des Gottesdienstes und den Begleitveranstaltungen selbst entwickelte Ideen umgesetzt werden. Abgestimmt auf das Länderthema nutzen die Frauen auch bestehende eigene Netze und beziehen Materialien von Brot für die Welt, Misereor, verschiedenen Missionsgesellschaften oder vom Gustav Adolf Werk oder ihre Kontakte mit Frauen aus den Themenländern mit ein.

Die Auseinandersetzung mit Glaubens- und Lebenswelten anderer Frauen führt nicht selten zu neuen Einsichten im eigenen Umfeld. 1981 wurde die Liturgie von den Ureinwohnerinnen der USA unter das Thema „Unsere Erde – Gottes Schöpfung“ gestellt. Eine Vorbereitungsgruppe aus dem Dekanat Balingenkonstatierte: „Für die Indianerinnen ist die Schöpfung heilig – ein Geschenk des Schöpfergottes an alle – und der Mensch ist ein Teil eines sinnvollen Ganzen, das er nicht verletzen kann, ohne sich selbst Schaden zuzufügen.“(4) In Deutschland steckten damals Maßnahmen gegen Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung noch in den Anfängen. Motiviert von der indianischen Liturgie beschloss die Gruppe kurzerhand, sich für das Einsammeln von Altglas und Altpapier am Ort zu engagieren, damit „die Rohstoffe wieder in den Kreislauf der Natur zurückgeführt werden.“(5)

5: Auseinandersetzungen in Württemberg

Die Weltgebetstagsliturgie von 1981

Die ökumenische Weite des Weltgebetstages gab jedoch auch immer wieder Anlass zu Auseinandersetzungen. „Wir haben gelernt zu streiten“, sagte die langjährige Geschäftsführerin der Frauenhilfe Dorothea Widmann anlässlich des 50. Jubiläums des Weltgebetstages in Württemberg.(6)

Gerade die von Ureinwohnerinnen der USA erstellte Liturgie 1981 war heiß umstritten. Begriffe wie "Mutter Erde" und "Großer Geist" wurden in manchen Kreisen innerhalb der evangelischen Landeskirche als heidnisch und untragbar befunden. So wurden für den Weltgebetstagsgottesdienst in der Korntaler Brüdergemeinde die entsprechenden Passagen überklebt. Auch die der Ludwig-Hofacker-Vereinigung zugehörige Gruppe „Sammlung Bekennender Evangelischer Frauen“ (SBEF) beanstandete die Weltgebetstagsmaterialien und gab alternative Arbeitshilfen heraus.(7) Doch die Kritik richtete sich nicht nur gegen vermeintliche „synkretistische Elemente“ in der Liturgie, sondern prangerte auch die zunehmend politische Ausrichtung des Gebets an. Geistliche Bitten, in denen es um die Beziehung zu Jesus Christus gehe, kämen zu kurz. Dieser Einwand war nicht neu. Bereits 1976 wurde von evangelikaler Seite kritisiert, das Gebet werde als Mittel humanistischer Weltverbesserung missbraucht. Der Weltgebetstag vernachlässige den christlichen Verkündigungsauftrag.(8)

Die Pole dieses Disputes waren die Frage nach dem rechten Glauben einerseits und der Bereitschaft zu Weite und Akzeptanz religiöser Interkulturalität andererseits. Der theologische Richtungsstreit wurde schließlich rechtlich im Deutschen Weltgebetstagskomitee geregelt. Die dort herausgegebenen Liturgien sind mittlerweile unveränderlich und unterliegen einem Copyright.

Zu großen Spannungen führte auch der Text des Weltgebetstages 1994, den palästinensischen Christinnen vorbereitet hatten. Streitpunkt war die dargestellte Besatzerrolle Israels. Frauen, die sich in Arbeitskreisen für den christlich-jüdischen Dialog engagierten, bezeichneten die Liturgie als einseitig und in Teilen antisemitisch. Die Arbeitsgruppe „Wege zum Verständnis des Judentums“ ließ eine Alternativ-Ordnung erstellen. Vielerorts empfand man die Liturgie als Öl im Feuer des Nahostkonfliktes. In manchen evangelischen Gemeinden wurden, um überhaupt guten Gewissens feiern zu können, brisante Textteile eigenständig verändert oder wurde zusätzlich ein jüdisches Lied eingefügt und der Ostergedanke mehr betont. Eine Pfarrerin aus dem Dekanat Balingen begründete dies: „Wir hier (…) versuchen so miteinander ins Gespräch zu kommen, zu feiern, aufeinander zuzugehen!“(9)

 

6: Auslöser für Initiativen

Der Weltgebetstag ist ein Fenster zur Welt und ein Stein des Anstoßes. Die Themen sind meist heiße Eisen und nicht wenige sind Auslöser für längerfristige Initiativen. So etwa der Weltgebetstag 1980. Frauen aus Thailand machten damals auf Prostitutionstourismus, Menschenhandel und Missbrauch von Kindern in ihrem Land aufmerksam. Die Beschäftigung damit hat die hiesigen Weltgebetstagsfrauen dazu gebracht, mit anderen Frauengruppen in Stuttgart das Fraueninformationszentrum (FIZ) ins Leben zu rufen. Seit 1987 werden dort Migrantinnen beraten und unterstützt, die von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung betroffen sind. Bis heute geht die Förderung des FIZ weiter: Da inzwischen auch viele Frauen aus Afrika dort Hilfe suchen, übernimmt der Weltgebetstag für die Jahre  2017-2019 die Kofinanzierung des Gehaltes einer nigerianischen Seelsorgerin, die im Rahmen einer interkulturellen psycho-sozialen Betreuung die afrikanischen Christinnen begleitet.

7: Unterstützung weltweiter Projekte

Um Frauenprojekte voranzubringen bestand der Weltgebetstag früh schon aus dem Dreiklang Gebet-Information-Kollekte. Zunächst wurde die Kollekte der Gottesdienste für Nöte im jeweils eigenen Land eingesetzt, unmittelbar nach dem Krieg in Deutschland etwa für Waisenkinder oder Frauen in den Flüchtlingslagern West-Deutschlands. 1951 beschlossen die Frankfurter Frauen 500 DM nach Korea zu senden, wo die Schwestern schwer unter dem seit 1950 tobenden Krieg litten. Es war das erste Mal, dass Weltgebetstagsfrauen mit ihrer Kollekte die Solidarität mit Frauen eines anderen Landes in die Tat umsetzen. 1960 wurde in Deutschland bereits zentral beschlossen, mit einem Drittel der Kollekte Frauenbildungsarbeit in Afrika zu unterstützen. Die Kollekte geht heute jedes Jahr an rund 100 durch das Deutsche Komitee ausgewählte Projekte auf der ganzen Welt. „Empowerment“ von Frauen und die Förderung von geschlechtergerechten Gesellschaftsordnungen stehen dabei im Mittelpunkt.

In der weltweiten Unterstützung von Frauen- und Mädchenprojekten zeigt sich, dass spirituelle Verbundenheit, Engagement für soziale Gerechtigkeit und weltweite Frauensolidarität beim Weltgebetstag zusammengehören. Dass die Themen immer globaler werden, hat sich auch beim Weltgebetstag 2015 aus Malaysia gezeigt. Unter dem Motto „Steht auf für Gerechtigkeit…“ war das Hauptanliegen, die Ausbeutung der in Malaysia sich verdingenden internationalen Haushaltskräfte sichtbar zu machen. Da dieses Problem in vielen Ländern der Welt existiert, wurden auch Kampagnen in Deutschland angestoßen. In Württemberg startete die EFW gemeinsam mit der Diakonie eine an das baden-württembergische Sozialministerium gerichtete Unterschriftenaktion, bei der die prekäre Arbeitssituation osteuropäischer Frauen in deutschen Haushalten mit pflegebedürftigen Personen angeprangert wurde. „Wir sind aufgerufen uns hier für legale und gerechte Arbeitsbedingungen einzusetzen“, heißt es dort, und auch: „Wir fordern die Entwicklung eines Pflegewesens, das der Würde und dem Wohl aller Beteiligten Rechnung trägt.“(10)

Um Frauenrechte zu stärken hat der Weltgebetstag mittlerweile neben der ökumenischen Weite auch die Öffnung zu säkularen Bewegungen vollzogen: Die traditionell zeitliche Nähe des Weltgebetstags (1. Freitag im März) und dem Internationalen Frauentag (8.März) führte 2014 zur Kooperation zwischen dem Weltgebetstag in Württemberg und der Abteilung für individuelle Chancengleichheit der Landeshauptstadt. Der Weltgebetstag kam 2014 aus Ägypten und Stuttgart ist Partnerstadt von Kairo. Diese Zusammenarbeit hat sich verstetigt. Mit der Veranstaltungsreihe "Weltgebetstag trifft Internationalen Frauentag" greifen die Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern der Landeshauptstadt Stuttgart, die Evangelischen Frauen in Württemberg und die Württembergische Arbeitsgemeinschaft christlicher Frauen für den Weltgebetstag Themen auf, die für Frauen in dem jeweiligen Weltgebetsland und in Stuttgart von Bedeutung sind.

8: Feiern, Experimentieren, Grenzen überschreiten

Der Weltgebetstag der Frauen hat nach wie vor großen Zulauf. Bei Gottesdiensten mit besonderen Themen liegt er laut einer Studie der EKD von 2014 auf Platz 3.(11) Die Form des Projektgottesdienstes entspricht offenbar dem Trend der Zeit. Darüber hinaus kommen wesentliche Elemente des Gebetstags den Bedürfnissen vieler Frauen entgegen.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass Frauen beim Weltgebetstag Selbstwirksamkeit erfahren können. Jede kannsich engagieren und etwas bewegen.  Der Weltgebetstag als Laienbewegung ist niederschwellig, gibt Gelegenheit zu experimentieren, sich den Kirchenraum anzueignen und auch eigene Anliegen öffentlich vorzutragen.

Beim Weltgebetstag können Frauen Sinnlichkeit und Kreativität leben: Tanzen, Kochen, Backen, Essen, Dekorieren und Singen sind wesentliche Elemente. Im Vorfeld entstehen Projektchöre, sodass mittlerweile ein gemeinsames Liedgut entstanden ist, das in die gesamte Kirche wirkt. Einzelne Weltgebetstagslieder finden sich mittlerweile im Evangelischen Gesangbuch. Aus vielen Ländern kommt die Rückmeldung, wie wertvoll der sinnliche Aspekt für den Gebetstag ist, da auf diese Weise auch Analphabetinnen teilhaben können.(12)

Beim Weltgebetstag erfahren Frauen Gemeinschaft - ganz direkt vor Ort bei den Vorbereitungen und Feiern, aber auch durch das Bewusstsein, weltweit mit anderen Frauen verbunden und solidarisch zu sein.

Darüber hinaus gibt der Weltgebetstag Frauen die Gelegenheit Grenzen zu überschreiten. Sie können Ökumene leben, andere religiöse und kulturelle Traditionen kennenlernen und eigene, auch sinnliche Zugänge zu biblischen Texten finden. Dies hat nicht zuletzt einen Aufbruch zu neuem Verständnis feministischer Theologie bewirkt.

Die Wurzeln des Weltgebetstages liegen in der eigenständigen religiös geprägten Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts in den USA und Kanada, die sich zunächst als Weltmissionsbewegung entfaltete. Doch Bibelauslegung und Verkündigung verbanden sich von Anfang an mit Bildung und Verbesserung der sozialen Situation von Frauen. Damals wie heute ist klar, dass die eigene Emanzipation und die Emanzipation der Frauen weltweit nicht voneinander zu trennen sind.

Die Frauen aus der Geschichte des Weltgebetstags setzten wichtige Zeichen für Frieden und Versöhnung. Sie kämpften nicht nur für die Gleichberechtigung von Frauen in Kirche und Gesellschaft. Sie gehörten auch zu den ersten, die sich für Umweltschutz engagierten und unerschrocken gegen Rassismus und Intoleranz eintraten.

In dieser Tradition hat sich die Basisbewegung Weltgebetstag weiterentwickelt und versucht nach wie vor, den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Auch heute noch ist das Gebet unter den feiernden Christinnen das verbindende Medium. Doch längst wird nicht mehr für die anderen sondern miteinander gebetet. Das Gebet wird zur Quelle verbindender Kraft, aus der solidarisches Handeln fließt. Durch den Weltgebetstag bekräftigen Frauen, dass Beten und Handeln untrennbar sind und dass beides einen nicht zu ermessenden Einfluss in der Welt hat.

Aktualisiert am: 03.03.2023