Hedinger, Johann Reinhard

Von: Schöllkopf, Wolfgang

Johann Reinhard Hedinger (1664-1704)

Johann Reinhard Hedinger

gemeinfrei (Quelle: Württembergische Landesbibliothek)

Er übertrug zu Beginn des 18. Jahrhunderts die frühe pietistische Theologie Philipp Jakob Speners nach Württemberg und verfasste als Hofprediger wichtige Lehrbücher zu den kirchlichen Handlungsfeldern im Geist des Pietismus.

Am 7. September 1664 wurde Hedinger in Stuttgart als Sohn eines Hofjuristen und einer Prälatentochter geboren. Nach den Klosterschulen Hirsau und Bebenhausen kam er 1681 zum Studium ins Tübinger Stift. Anschließend machte er eine große Bildungsreise, auf der er auch die Pflanzstätten sowie die Begründer der pietistischen Bewegung, Philipp Jakob Spener in Frankfurt und August Hermann Francke in Halle besuchte. Danach wurde er Reise- und Feldprediger des württembergischen Herzoghauses. 1694 verheiratete er sich mit Christina Barbara, geb. Zierfuß (1674 – 1743), aus Kirchheim/Teck. Im gleichen Jahr ging Hedinger als Professor für Naturrecht nach Gießen, bevor er 1699 zum Hofprediger und Konsistorialrat in Stuttgart berufen wurde. Seine besondere Stellung am Hof, bei der er Zugang zu allen Ständen hatte, nutzte er zu seelsorgerlicher Arbeit und deutlicher Kritik am Herzog und seiner aufwändigen Hofhaltung. In seiner Antrittspredigt rief er dem Herzog zu: „Rette, Fürst, deine Seele!“


Praktischer Theologe

Hedinger verfasste die ersten praktisch-theologischen Werke des württembergischen Pietismus: In seiner Predigtlehre mahnte er ein gründliches Bibelstudium an und lehnte rhetorische Kunststücke des Barock ab: „Ist denn der Heilige Geist eine Taube oder ein Papagei?“ Weiter entwickelte er eine eindrückliche Seelsorgelehre, in der er auch sensibel auf das Krankheitsbild der Depression einging. Er setzte durch, dass ein Stuttgarter Hofmusiker nach seiner Selbsttötung ordentlich bestattet wurde. Seine Katechetik enthält außergewöhnliche pädagogische Einsichten in die Entwicklung des Kindes und eigene Lehrpläne für die Mädchen. Die Einführung der Konfirmation in Württemberg 1723 folgte einem gottesdienstlichen Entwurf Hedingers von 1701, in dem die Segnung der Jugendlichen im Vordergrund steht. Da er auch als Liederdichter und Bibelkommentator tätig war, kann er als erster praktischer Theologe des württembergischen Pietismus gelten.

Seine Lebenszeit zwischen der Pracht des Barock und dem Geist des frühen Pietismus war kurz: Hedinger starb mit vierzig Jahren am 28. Dezember 1704 in Stuttgart. Lange noch wurden die Anekdoten von seinem Glaubensmut vor Fürstenthronen im Land weitererzählt und seine theologischen Werke als Unterrichtsbücher für Theologen verwendet.

Aktualisiert am: 06.03.2024