Vorderösterreich

Von: Stievermann, Dieter

Inhaltsverzeichnis
  1. 1: Der historische Rahmen
  2. 2: Die Reformationszeit
  3. 3: Die eigenständigen Vorlande in der „Konfessionalisierung“ ab 1564
  4. 4: Im Zeichen der Barockfrömmigkeit nach 1648
  5. 5: Umbrüche in der Aufklärungszeit, der Josephinismus
  6. 6: Das Ende Vorderösterreichs und Württembergs Gewinne
  7. Anhang

1: Der historische Rahmen

Habsburgische (österreichische) Vorlande bzw. „Vorderösterreich“ sind historische Begriffe, die äußerst komplexe Zusammenhänge benennen. Sie fassen die verschiedenen großen und kleinen Herrschaften im Südwesten des Alten Reiches zusammen, die unter der überwölbenden Landesherrschaft des Hauses Habsburg-Österreich standen. Da es sich also um eine Ansammlung von Einzelherrschaften handelte, geht es hier nicht um einen Flächenstaat, sondern um große und kleine Inseln, die nur zum Teil räumlich, sondern wesentlich herrschaftlich-administrativ miteinander verbunden waren. Erschwerend für die Beschreibung ist auch, dass diese Gruppe der österreichischen Vorlande im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (ca. 1500-1800) in ihrer Zusammensetzung nicht fest ist: neben einzelnen Gewinnen (so z.B. 1780  Tettnang von den Montfortern) gibt es auch große Verluste, etwa im Elsass an Frankreich 1648. 1752 wurde die alte administrative Verbindung zu Tirol und der Zentrale in Innsbruck aufgehoben: Breisgau, Ortenau, Schwäbisch-Österreich und Vorarlberg bildeten nun eine eigene Provinz Vorderösterreich; Sitz der neuen Oberbehörde („Repräsentation und Kammer“) wurde erst Konstanz, doch schon 1759 Freiburg, das mit seiner Universität ja bereits seit 1457 das geistige Zentrum in seinen Mauern besaß. Mit dem grundstürzenden Umbruch in der Napoleonischen Zeit fiel dann vieles an Württemberg und Baden (v.a. der Breisgau mit Freiburg), aber auch Bayern (Markgrafschaft Burgau mit Günzburg); nur ein Teil verblieb schließlich bei Österreich, heute i. w. das Bundesland Vorarlberg.
Die große Erstreckung der vorderösterreichischen Herrschaften hat auch schon in historischer Zeit zu inneren Untergliederungen geführt: So hatten „Schwäbisch Österreich“, Vorarlberg und Breisgau jeweils eigene landständische Organisationen entwickelt.
Das Besondere an der Geschichte des seit langem untergegangenen alten „Vorderösterreich“ ist nicht nur seine starke Zersplitterung und wechselhafte Zusammensetzung. Wesentlich ist ebenfalls, dass über größere Zeiträume der Landesherr von Vorderösterreich auch die  Kaiserkrone des 1806 ebenfalls untergangenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation trug, er als Kaiser also auch Oberherr der anderen südwestdeutschen Fürsten – etwa Badens und Württembergs – und anderer Reichsunmittelbarer - wie Reichsstädte und Reichsritter - war.
Der Rahmen dieses Beitrags ist die „Württembergische Kirchengeschichte“. Insofern ist eine Konzentration auf die Teile Vorderösterreichs geboten, die in der Umbruchszeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts, näherhin zwischen 1805 und 1810, dauerhaft an Württemberg fielen. Das waren v.a. die Niedere (mit Horb) und Obere (mit Rottenburg) Grafschaft Hohenberg, die sogenannten fünf „Donaustädte“ Munderkingen, Riedlingen, Mengen, Saulgau und (Bad) Waldsee, ferner Ehingen und Schelklingen, dazu die sogenannte „Landvogtei Schwaben“ um Altdorf-Weingarten mit einem Bündel verschiedenster Gebietsfetzen bis zum Bodensee, dazu mit unterschiedlichen oberherrlichen Rechten, u.a. auch über Klöster wie Heiligkreuztal, Urspring, Wald und Wiblingen  – ganz abgesehen von den vielen klösterlichen Niederlassungen in den Städten oder den Ämtern. Kleine Besitztitel, v.a. auch ober- bzw. lehnsherrliche Befugnisse gegenüber Reichsunmittelbaren - wie Klöstern, Grafen (u.a. Hohenzollern-Sigmaringen) und Rittern - können hier nicht näher spezifiziert werden. Noch weiter kompliziert wird die vorderösterreichische Geschichte im territorial zersplitterten Oberschwaben durch Verpfändungen, die das Haus Österreich selbst mit Kernbeständen vornahm: So waren die fünf „Donaustädte“ bis 1680 an die Truchsessen von Waldburg  verpfändet. Da aber die kleinen Herrschaften in Oberschwaben – abgesehen von den Reichsstädten – sich weitgehend am konfessionellen Kurs des politisch hier dominierenden Hauses Österreich orientierten, hatten solche Dinge kaum Einfluss auf die großen Linien der Kirchengeschichte.  
Da  zum besseren historischen Verständnis das Ganze nicht aus dem Auge verloren werden darf, wird aber immer wieder auch über die engeren Grenzen  Württembergs hinauszuschauen sein.

2: Die Reformationszeit

In weiten Teilen des Alten Reiches konnten die Landesherren gemäß den definitiven Regelungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 die konfessionelle Ausrichtung ihrer Länder bzw. Untertanen bestimmen. Das war mit einer gewissen Verzögerung auch in den Gebieten des Hauses Österreich so, und zwar zu Gunsten des katholischen Bekenntnisses, als dessen Hauptstütze Habsburg-Österreich wirkte. Insofern muss Kirchengeschichte zu einem guten Teil auch die Herrschaftsgeschichte im Blick behalten. In diesem Fall zeigt sich als große Linie eine gewisse sporadische Ausbreitung des evangelischen Bekenntnisses bzw. einzelner evangelischer Ansätze von unten, dann aber eine langsam effizienter werdende herrschaftliche Zurückdrängung, schließlich die Beseitigung des Protestantismus. Das war verbunden mit einer landesherrlichen Förderung, zum Teil aber auch Reform des katholischen Kirchenwesens.
Es ging also hier weder um den konfessionellen Willen der Untertanen noch um konfessionelle Bewegungen der Landesherren: Das Haus Österreich war und blieb fest bei der Alten Kirche. Die Hauptfrage ist lediglich die nach der Stärke bzw. den Mitteln des jeweiligen Landesherren, seine religiösen Vorstellungen in den riesigen - gerade in den Vorlanden auch verstreuten und zersplitterten - Herrschaftsgebieten durchzusetzen.
Auf den ersten Blick schienen dazu die Möglichkeiten der Habsburger günstig, doch wirkten sich europäische Verwicklungen und Schwächen des inneren Regiments noch hemmend aus.
Zu Beginn der Lutherbewegung bzw. später so genannten Reformation war ein Habsburger als Karl V. nicht nur Kaiser, sondern auch König von Spanien. Kaiser Karl V. (1519-1556) besaß zunächst auch die österreichischen Vorlande, überließ diese jedoch mit dem eigentlichen Österreich 1521/22 seinem treuen Bruder Erzherzog Ferdinand. Insofern war es klar, daß die kaiserlichen antilutherischen Maßnahmen – voran das Wormser Edikt von 1521 – auch hier Geltung besaßen. Diese Politik hatte damals im Südwesten noch einen singulär großen Rahmen, weil das Haus Habsburg von 1520 bis 1534 auch das Herzogtum Württemberg beherrschte, nachdem der angestammte Herzog Ulrich 1519 vertrieben worden war.
Nichts lag hier also ferner, als eine offizielle Reformation von oben, wie sie etwa in Sachsen und Hessen in den zwanziger Jahren einsetzte. 1523 tagten die zuständigen Bischöfe von Augsburg, Konstanz (dieser war Ordinarius für den später württembergischen Teil Vorderösterreichs) und Straßburg in Tübingen, um Maßnahmen zur Unterdrückung der reformatorischen Lehren zu beraten. Im Mai bzw. Juni 1524 verpflichtete Erzherzog Ferdinand auf Landtagen zu Breisach und Stuttgart die Stände u.a. zum Vorgehen gegen die evangelische Bewegung.  Doch konnte gleichwohl das Eindringen reformatorischer Schriften und Prediger nicht vollständig verhindert werden. Zum einen spielte die Nähe zur Schweiz eine Rolle, wo Zwingli in Zürich den Weg einer Reformation eigener Prägung einschlug. Dazu lagen eingesprengt in den an sich so gewaltigen habsburgisch-österreichischen Herrschaftsraum im Südwesten viele unabhängige Reichsstädte. Hinter ihren sicheren Mauern konnte sich durchaus die reformatorische Bewegung auch gegen den Willen der Habsburger entfalten und in das Umland ausstrahlen. Wichtige Beispiele dafür sind Ulm, Straßburg und Konstanz; die Bodenseestadt wurde allerdings 1548 unter österreichische Landesherrschaft gebracht und dann in einem längeren Prozess vollständig rekatholisiert. Darüber hinaus war die landesfürstliche Position selbst in den eigenen Gebieten Ferdinands von Habsburg nicht übermächtig: Der große Bauernaufstand von 1525 („Bauernkrieg“), der auch die Schwarzwaldregion, Oberschwaben und Württemberg intensiv erfasste,  bewies das nur zu deutlich. In diesem größten Volksaufstand der heimischen Geschichte spielten soziale und evangelische Forderungen eine Rolle. Im Zuge der blutigen Niederschlagung wurden auch Prediger hingerichtet. In Horb war der Memminger Kürschner Sebastian Lotzer geboren, der 1525 die berühmte Flugschrift mit den Zwölf Artikeln der Bauernschaft in Schwaben verfasste; schon vorher hatte er zwei reformerische Schriften in den Druck gebracht, die zum einen seinen Vater in Horb und zum anderen  die Horber insgesamt zu Adressaten hatte.  
Es lassen sich so in den zwanziger Jahren Zeugnisse für die evangelische Bewegung auch in Orten Vorderösterreichs greifen, besonders ausgeprägt allerdings in den westlichen Gebieten, die hier nicht näher zu verfolgen sind. Bereits Ende 1522 war in Horb der Laienprediger Konrad Murer genannt Karsthans aufgetreten, der dann gefangengesetzt wurde.  Der bedeutende evangelische Publizist und frühere Franziskaner (in Heilbronn, Tübingen, Freiburg und Ulm) Johann Eberlin von Günzburg besuchte im Herbst 1523 evangelische Kreise in der Grafschaft Hohenberg; im gleichen Jahr richtete er eine Flugschrift an die Städte Horb und Rottenburg, worin er den Pfarrer und einen Stiftsherrn in Rottenburg sowie den Horber Schulmeister als Prediger im Sinne der evangelischen Bewegung nennt. Auch für 1524 gibt es klare Belege für die Existenz einer evangelischen Bewegung in Rottenburg. Im Mai 1524 war Erzherzog Ferdinand gemeinsam mit dem päpstlichen Legaten in Horb und die obrigkeitlichen Maßnahmen gegen evangelisch Gesinnte wurden verschärft.
Es waren nicht nur hier gerade die Städte, in denen sich frühzeitig Anhänger einer Reformation fanden – überhaupt ist von der Forschung der Zusammenhang von Stadt und Reformation ganz allgemein herausgearbeitet worden, bis dann Landesfürsten für die  Ausbreitung der organisierten Reformation immer wichtiger wurden – letzteres war aber, wie schon erwähnt, in Vorderösterreich zu keiner Zeit der Fall.
Ähnliches wie in den Hohenberger Städten zeigte sich in den Donaustädten. In Riedlingen war der Pfarrer Johann Zwick aus Konstanz evangelisch, musste aber 1525 weichen und wirkte dann in seiner Heimatstadt. Für Mengen ist 1524  evangelische Predigt bezeugt, die aber unterdrückt wurde.
Besonders scharf ging man gegen eine sich rasch ausbreitende Richtung der Reformation vor, die auch von Luther und seinen Anhängern scharf abgelehnt wurde, die Täufer. Neben der Erwachsenentaufe (daher die diffamierende Fremdbezeichnung „Wiedertäufer“) lehnte diese zudem für den Staat wichtige Einrichtungen wie Eid und Kriegsdienst ab. Der Rottenburger Wilhelm Reublin hatte schon nach seiner Rückkehr aus Straßburg, das zeitweilig auch Täufer tolerierte, 1526 in Horb zahlreiche Taufen vorgenommen. Der Kopf der Hohenberger Täufer war Michael Sattler, vormals Prior im Benediktinerkloster St. Peter im Breisgau. Für die Bekenntnisbildung dieser Gruppe besitzt er eine große Bedeutung und hat noch heute - etwa bei der Mennonitischen Gemeinschaft in den USA - einen Namen. Rund dreißig Täufer wurden 1527 in Horb und Rottenburg verhaftet. Am 21. Mai wurde Sattler in Rottenburg verbrannt, seine Frau im Neckar ertränkt und vier weitere mit dem Schwert gerichtet; andere widerriefen und wurden des Landes verwiesen oder flohen vor der Verhaftung.  
Trotz temporärer Erschütterungen hatten die Strukturen der katholischen Kirche in Vorderösterreich unter dem Schutz der Landesherrschaft also Bestand. Ein Aufbau organisierter evangelischer Gemeinden war nicht möglich. Doch litt die Alte Kirche vielfach unter Personalproblemen: in den Klöstern ebenso wie bei der Weltgeistlichkeit.
Die gesicherte äußere Katholizität Vorderösterreichs überstand auch die großen Umbrüche zwischen 1534 und 1548. 1534 hatte Herzog Ulrich von Württemberg die Herrschaft über sein Stammland wiedererrungen. Als er dort die Reformation von oben einführte, erhielt Schwäbisch Österreich einen politisch und konfessionell feindlichen mächtigen Nachbarn. Allerdings stellte das fest katholische Bayern ein starkes Gegengewicht dar. Darüber hinaus konnten Kaiser Karl V. und sein Bruder Ferdinand - Landesherr in Österreich und den Vorlanden, dazu inzwischen ebenfalls König in Böhmen und Teilen Ungarns – 1546/47 den Bund der Protestanten, mit diesem auch Württemberg, im Schmalkaldischen Krieg besiegen. Man suchte nun lange nach einem Ausgleich, um dauerhaft den Frieden im Reich zu sichern. Dieser Ausgleich wurde im schon angesprochenen Augsburger Religionsfrieden 1555 gefunden.
Es war um 1550 klar, dass Deutschland als Ganzes nicht protestantisch werden würde. Gerade die siegreiche katholisch-habsburgische Seite konnte so an die Festigung der Alten Kirche in ihren Territorien gehen, zumal das Trienter Konzil (1545-63, mit Unterbrechungen) für die Gesamtkirche auch den Rahmen eigener Reformen abgesteckt hatte.
Schon zu Beginn dieser Konsolidierungsphase wurde für die Vorlande 1550 eine Polizeiordnung erlassen, die christlich-katholische Lebensformen vorschrieb. Repression allein konnte jedoch die fortbestehende Anziehungskraft evangelischer Vorstellungen nicht vollständig aushebeln. Innere katholische Reform, um eine attraktive Alternative zu bieten, war vonnöten. Die Landesherren gaben hierzu oft genug die entscheidenden Impulse. Einzelne Persönlichkeiten ragen bei dieser katholischen Reform heraus. So der aus schwäbischer Familie stammende Augsburger Bischof Kardinal Otto Truchseß v. Waldburg. Die von ihm in Dillingen um 1550 gegründete und später den Jesuiten anvertraute Universität strahlte auch nach Österreichisch Schwaben aus. Mitten in Oberschwaben wirkte intensiv Abt Gerwig Blarer von Weingarten (1520-67) für die Politik Ferdinands, der 1556 seinem Bruder Karl sogar als Kaiser nachfolgen konnte. Wichtig für die zentrale Personalfrage war es, dass 1555 ein Beitrag der Prälaten zur Priesterbildung an der vorländischen Landesuniversität Freiburg beschlossen wurde. Noch auf Kaiser Ferdinand geht es zurück, dass die Dominikanerinnen aus dem evangelisch gewordenen badischen Pforzheim nach Kirchberg umsiedeln konnten und dem dortigen Klosterleben aufhalfen.

3: Die eigenständigen Vorlande in der „Konfessionalisierung“ ab 1564

Mit dem Tod Kaiser Ferdinands 1564 begann eine neue Phase. Der Kaiser hatte Tirol und die Vorlande einem nachgeborenen Sohn hinterlassen: Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1564-1595). In dem jetzt überschaubaren Regierungsraum wurde allgemein effizienter regiert - auch im Sinne einer weiteren Konsolidierung der katholischen Kirche und Klärung der konfessionellen Ausrichtung („Konfessionalisierung“), wenngleich man gerade in den zersplitterten Nordgebieten längere Zeit behutsamer auftreten musste. Ferdinand betraute seinen nicht standesgemäß geborenen Sohn Andreas (1558-1600) mit weltlichen Funktionen in den Vorlanden, wie er zudem für dessen kirchliche Karriere sorgte: 1576 Kardinal, 1591 Bischof von Brixen, 1589 von Konstanz. Diese Bündelung von geistlicher und weltlicher Gewalt erscheint nach heutigen Maßstäben erstaunlich, sie war jedoch durchaus effizient. Auch in den evangelischen Territorien lagen ja damals geistliche und weltliche Regimentsfunktionen in einer Hand, eben der des Landesfürsten. Mit der äußeren Stärkung ging die innere einher. Die von der Landesherrschaft geförderte Ansetzung der Jesuiten war ein wichtiges Instrument, um mittels der Bildung die junge Elite des Landes zu gewinnen. Die ersten Niederlassungen erfolgten ab 1604 im elsässischen Raum, 1620 kamen Jesuiten an die Freiburger Universität, erst 1649 nach Feldkirch (Vorarlberg) und Rottenburg – Rottenburg, wo erste Versuche in den zwanziger Jahren noch gescheitert waren, nahm dabei  Patres auf, die sich im wieder voll unter württembergischer Herrschaft stehenden Tübingen nicht halten konnten.
Politisch waren die Jahre um 1600 für die Habsburger schwierig. Hausinterne Konflikte und Erbprobleme belasteten die Dynastie. Kompliziert war auch die Lage in den Vorlanden, da Ferdinands Söhne nicht voll erbberechtigt waren. Die Kombination von geistlichen und weltlichen Ämtern wurde hier weitergeführt. So errang aus der Grazer Habsburgerlinie Erzherzog Leopold (1586-1632) die Bischofsstühle von Passau 1598 und Straßburg 1607, amtierte aber ebenso als Statthalter in Tirol und Vorderösterreich, bis er 1625 auf die Bistümer verzichtete, 1626 heiratete und eine neue Innsbrucker Linie begründete.
Wenn auch durch die wechselhaften Konjunkturen des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) unterbrochen, so ging doch der Ausbau des landesfürstlichen Absolutismus im Verein mit der konsequenten Durchsetzung des katholischen Bekenntnisses weiter. Selbst in den höheren sozialen Schichten der Städte wie beim Adel schwanden im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts die evangelischen Restbestände. Verschärfte Kontrollen etwa  bei Amtsträgern in den Städten wie Konstanz und Rottenburg hatten ihre Folgen.  Anpassung oder Abwanderung hießen die Alternativen.
In die Breite des Volkes wirkte die Ansetzung der Kapuziner – etwa Freiburg 1596, Konstanz 1603, Rottenburg 1616/17 (Pläne seit 1603), Günzburg 1615, Riedlingen 1644, Villingen 1654.  Das österreichisch regierte Süddeutschland wurde schließlich zu einem Raum, der sogar Personal für konfessionell noch unsichere Gebiete der Habsburger bereitstellen konnte. Allerdings hatte der Dreißigjährige Krieg, der gerade auch den Südwesten schwer in Mitleidenschaft gezogen hatte, vielerorts schwerste Kriegsverluste gebracht. So wurden 1633 im Paulinerkloster Rohrhalden bei Rottenburg der Abt und ein Laienbruder von schwedischen Plünderern getötet, während die Franziskanerinnenniederlassung im nahen  Poltringen 1647 von Truppen der katholischen Seite niedergebrannt wurde.

4: Im Zeichen der Barockfrömmigkeit nach 1648

Nachdem die größten Schäden des Dreißigjährigen Krieges behoben waren, konnte sich auch in den österreichischen Vorlanden die barocke Frömmigkeit entfalten. Volksfromme Praktiken wie Marienverehrung, Wallfahrten und Bruderschaften entwickelten sich in starkem Maße.  Besondere Anziehungskraft entwickelte die Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes auf den „Heiligen Berg“ Oberschwabens, den Bussen, der unter schwäbisch-österreichischer Oberherrschaft stand. Auch die Pfärrich-Wallfahrt (bei Amtzell) war beliebt; das Langhaus der Marienkirche mit dem Gnadenbild wurde schon 1686 neu gebaut. 1682-95 entstand die Marienwallfahrtskapelle im Weggental bei Rottenburg durch Vorarlberger Baumeister, die auch an vielen anderen Orten Schwabens tätig wurden. Prächtige Bauten sollten überhaupt den Triumph der katholischen Kirche deutlich machen. Seit 1688 arbeitete man im Dominikanerinnenkloster Kirchberg (bei Sulz) am Neubau des Gotteshauses und dann der Klosteranlage. Einen Höhepunkt im österreichisch beherrschten Schwaben setzte die in den 1720er Jahren beginnende Bautätigkeit der reichen Benediktinerabtei Wiblingen – mit dem prächtigen Bibliothekssaal und der nicht minder bedeutenden Klosterkirche (ab 1772).
Ganz besonders blühte das Bruderschaftswesen im Zusammenhang mit der von den Jesuiten betreuten Weggentalwallfahrt; die 1669 gegründete Wallfahrtsbruderschaft „Zur Verehrung der heiligen Namen Jesus, Maria und Joseph“ zählte 1731 über 9000 Mitglieder, die Bruderschaft „Unser Lieben Frauen Verkündigung“ von 1652 hatte 100 Jahre später immerhin über 5000. Typisch für die Barockzeit war auch die sich im 17. Jahrhundert stark ausbreitende Verehrung des „Heiligen Hauses von Loreto“, des nach der Legende 1295 von Nazareth nach Italien übertragenen Hauses der Heiligen Familie. Das Loretoheiligtum in Binsdorf (1626) gehört dabei zu den ersten Beispielen im Bistum Konstanz.
Vorderösterreich wurde im Barock – wie das katholische Süddeutschland überhaupt – auch im Erscheinungsbild ein augenfällig katholisches Land. Nicht nur prächtige neue Kloster- und Kirchenbauten mit hohen Türmen und reicher Innenausstattung prägten das Bild, sondern auch eine Fülle kleiner Monumente wie Nepomukstatuen an den Brücken, Kreuzwegstationen, Kalvarienberge, Feld- und Wegekreuze, Heiligenbilder bzw.-figuren an den Häusern usw. Noch heute kann ja ein langsam Reisender mit aufmerksamem Blick die alten Konfessionsgrenzen so wahrnehmen.
Auch die territorialpolitischen Rahmenbedingungen hatten sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verbessert und den Aufschwung der katholischen Kirche mit befördert. Seit dem Ende der Tiroler Habsburgerlinie 1665 stand man – wie rund 100 Jahre vorher - nun wieder unter kaiserlicher Landesherrschaft, wenngleich der Kaiser und Wien weit weg waren, die Vorlande im dortigen Kalkül eine immer nachgeordnetere Rolle spielten, da die Ungarnpolitik immer wichtiger wurde.


Horb

5: Umbrüche in der Aufklärungszeit, der Josephinismus

Neue Herausforderungen für das ausgeprägt katholische Profil Vorderösterreichs mit seinen vielfältigen und sinnenfrohen Frömmigkeitsformen kamen dann nicht mehr von außen, sondern von innen - und zwar gerade von der Habsburgerdynastie, die ja die alte Kirche vor der Reformation bewahrt hatte. Das geschah in einer Phase, die konfessionspolitisch wenig gefährlich erscheinen musste, denn der große protestantische Nachbar Württemberg wurde seit 1733 von katholischen Herzögen regiert.  Zum einen war es der verstärkte Zugriff des Staates auch auf die kirchlichen Ressourcen, der bereits unter Maria Theresia (1740-1780) spürbar wurde. Ihr Sohn und Nachfolger Kaiser Josef II., Kaiser 1764-1790, Alleinherrscher in den Erblanden seit 1780, erhöhte dann nicht nur den finanziellen Druck weiter, sondern griff mit seiner obrigkeitlichen Kirchenpolitik („Josephinismus“) immer massiver selbst in die innerkirchlichen Verhältnisse und Strukturen ein, geleitet von den Prinzipien Vernünftigkeit und Nützlichkeit.
In diesem Sinne wurden von staatlicher Seite Pfarreien nach rationalen Maßstäben zugeschnitten, d.h. aus Großpfarreien neue überschaubare ausgegliedert –  etwa um Rottenburg Seebronn, Kiebingen, Oberndorf und Wendelsheim verselbständigt. Zur Verbesserung der Seelsorge wurde von Seiten der Landesherrschaft auf die Priesterausbildung im modernen Sinne Einfluss genommen, so durch Studienreformen in Freiburg.  Das Verbot von Wallfahrten, Regulierungen im Bestattungswesen oder die Aufhebung der Bruderschaften 1782 griffen tief in das volksfromme Brauchtum ein. Wie eine nachgeholte Reformation wirkten die zahlreichen Klosteraufhebungen, wenn aus staatlicher Sicht der Konvent nichts praktisch Nützliches leistete. So  endete 1786 die Geschichte des Paulinerklosters Rohrhalden, das 1718 sogar Noviziatskloster der Provinz geworden war.  Die Franziskanerinnen in Munderkingen traf dieses Schicksal 1782, die Franziskaner in Horb 1786 – die dortigen Franziskanerinnen waren schon 1779 in die Obere Klause nach Rottenburg versetzt worden. Die Dominikanerinnen in Horb jedoch hatten  1776 den Unterricht für Mädchen auf sich genommen, so dass sie bis 1806 weiterbestanden. Die Benediktinerinnen zu Urspring bei Schelklingen verdankten ebenfalls der Mädchenerziehung ihre Fortexistenz bis 1806.
Im Zuge dieser staatskirchlichen Politik errangen die österreichischen Herrscher eine Position, die der Rolle evangelischer Fürsten in ihren jeweiligen Landeskirchen nahekam.

6: Das Ende Vorderösterreichs und Württembergs Gewinne

Das schon einleitend angesprochene Ende Vorderösterreichs zu Beginn des 19. Jahrhunderts brachte nun keinen Angriff auf die Katholizität der angesessenen Bevölkerung, die ja schon von Josef II. „modernisiert“ worden war. Die überkommenen konfessionellen Verhältnisse waren in völkerrechtlichen Verträgen festgeschrieben und schon am 15. Oktober 1806 hatte Württemberg intern die freie Religionsausübung gesetzlich verankert. Gleichwohl veränderte sich die konfessionelle Landkarte in einzelnen Punkten. Die noch reichsrechtlich 1802/03 beschlossene Säkularisation führte für die katholische Kirche jedoch vor allem zu ungeheueren Verlusten von Kirchengut. Auch die vielen Reichsklöster wurden aufgehoben, die in ihrer langen Geschichte ebenfalls auf Vorderösterreich ausgestrahlt hatten. Das war ein ausgesprochener Kulturbruch, zumal Archive, Bibliotheken und Kunstschätze häufig genug untergingen oder verschleudert wurden.
 Aber auch die noch verbliebenen Klöster und Stifter in den Landstädten oder Dörfern standen zur Disposition der weltlichen Herren. So wurde etwa in Rottenburg das ehrwürdige Stift St. Moriz aufgehoben, die Kirche als Pfarrkirche erhalten. Funktionslos gewordene Gotteshäuser wurden zum Teil den sich jetzt auch in katholischen Gebieten aus Zuzüglern bildenden neuen evangelischen Gemeinden zur Verfügung gestellt. In Rottenburg etwa erhielten die Evangelischen ein Mitbenutzungsrecht in St. Moriz. Die um 1700 von Vorarlbergern gebaute Kirche in Hofen (ehemals Priorat des aufgehobenen berühmten Reichsklosters Weingarten - erst 1804 österreichisch,  heute Friedrichshafen) wurde 1812 evangelisch, die Konventsgebäude nutzte später der König als Schloss. Auch die Kirche des nach 1805 säkularisierten Klosters Kirchberg ist heute ein evangelisches Gotteshaus. Umgekehrt ging es in Poltringen zu: Die dortige Klemenskirche, die Württemberg als Überbleibsel einer untergegangenen evangelischen Gemeinde festgehalten hatte, wurde jetzt nach dem Erwerb der Grafschaft Hohenberg aufgegeben und kam wieder in katholische Hand. Barbarisch muten die Totalprofanierungen an. In Oberndorf am Neckar wurde das ehemaliger Augustiner-Eremitenkloster mit der 1772-79 prächtig neu errichteten Kirche zu einer Gewehrfabrik, ähnlich ging es der Urspringer Klosterkirche; nicht ganz so schlecht traf es am Ende Kirche und Konventsgebäude des 1806 in Rottenburg aufgehobenen Karmeliterkonvents: nach einer Phase als württembergische Kaserne wurde im Zuge der Einrichtung eines Priesterseminars wenigstens noch der Chor als Hauskapelle genutzt. Aufgehobene Klöster konnten auch zu Verwaltungssitzen umfunktioniert werden – so die Dominikanerinnenklöster in Oberndorf und Horb oder das Franziskanerkloster zu Waldsee. Die einschneidenden Veränderungen als Folge des großen geschichtlichen Dammbruchs um 1800 - bei dem Württemberg ja nur mitschwamm, wenn auch als Gewinner - wurden von den Neuwürttembergern durchweg als negativ empfunden, so dass lange noch eine nostalgische Anhänglichkeit an die alten Zeiten weiterbestand, nicht zuletzt im ehemaligen Vorderösterreich. Dass schließlich mit Rottenburg eine ehemals vorderösterreichische Stadt Sitz des neugeschaffenen katholischen Bistums für das junge Königreich Württemberg wurde, war da nur ein kleiner Trost.

Aktualisiert am: 17.01.2017