Seemann, Adam

Quellenangabe

LKA Stuttgart, Pfa Schornbach, Nr. 554

Kurzbiografie

Adam Seemann, der 1892 in Eberdingen geboren wurde und am 20.3.1918 lt. Kriegerdenkmal starb, war vom 15.11.1915 bis zum 01.05.1916 Lehrer in Schornbach, anschließend wurde er zum Militär eingezogen. Er diente im Rang eines Landsturmmannes, später als Musketier und Gefreiter. In der Frühjahrsoffensive 1918 fiel er. Seine Frau stammt aus Baltmannsweiler.

Feldpostkarte, 13. Mai 1916

  • Absendeort: Schwäbisch Gmünd
  • Truppenzugehörigkeit: Landw.Inf.Regt. Nr. 126, Ersatz-Bataillon, II. Rekruten-Depot
  • Dienstgrad: Landsturmmann

Sehr geehrter Her Pfarrer! Entschuldigen Sie // bitte, daß ich erst jetzt etwas von mir hören // lasse. Zeit hätte ich zwar schon gefunden, aber //  mangelnder Fleiß oder Müdigkeit verzögerten // die Antwort. Ich bin jetzt Soldat beim II. Rekr.-Dep. // Inf. Reg. 126, Ers.-Bat. Gmünd. Dabei ist selbst= // verständlich der größte Vorzug, daß ich nicht allzu= // sehr räumlich von meiner lb. Braut getrennt bin. // Schornbacher Landsleute sind im gleichen Depot: // Brecht + Haug. Ihnen + Ihren werten Lieben geht // es hoffentlich recht gut. Mein Befinden kann ich // Gott sei Dank mit gut bezeichnen. // Den herzlichsten Gruß Ihr ergebener Adam Seemann

Feldpostbrief, 1. Juni 1916

  • Absendeort: Gmünd
  • Truppenzugehörigkeit: L.I.Regt. 126, 4. Kompanie, 10. Korporalschaft.
  • Dienstgrad: -

Sehr geehrter Herr Pfarrer! // Ihren werten Brief, den Organisten= // gehalt + das Gemeindeblatt habe // ich erhalten. Für alles danke ich // herzlich. // Am meisten freuten mich // Ihre ermunternden Zeilen. // Vier Wochen bin ich Soldat. Mehr // als einmal machte ich schon // dem gepressten Herzen Luft // mit den Worten: Ich werde irr! // Auch ein schöner Patriot! wird // Herr Pfarrer denken, aber man // kann nicht anders, Freiheit, das // ist ein schönes Wort. In Reih + Glied, // wo mans am wenigsten spürt, // schätzt mans am meisten. // Den Witz Heine's: Meine Frau // hat ein Töchterlein geboren so // schön wie die Freiheit, habe ich erst // jetzt richtig verstehen gelernt. // Aber eben in solchen Zeiten wo // einem die Ohren nur nach Frei= // heit jucken, ist das Wort Pflicht // das beste, welches den Menschen= // verstand wieder ins Geleise // bringt. „Man erwartet, daß // jedermann seine Pflicht tut!“ // Dieses Nelson-Wort könnte man // auf jede Fahne schreiben + die // Freiheit käme dadurch sicher nicht // zu kurz. // Vom Soldatenleben will ich wenig // oder nichts schreiben. Es hat zwei // Seiten wie alles. Recht zufrieden // will ich sein, wenn mirs so weiter // geht wie bisher. Unser Feldwebel= // leutnant Fegert hat meine // Wenigkeit noch nicht umsonst // „angefaucht“. Daß irgendein // Unteroffizier einmal stößt, ist // selbstverständlich, das machen // alle Ochsen. Vergessen können ist // die große Kunst, die ich vorerst // lernen muß. Am meisten // erfreut mich, daß mir in 4 // Wochen noch nichts gestohlen wurde. // Es gibt viele ehrliche Leute. // Gestern ist Brecht aus Schornbach // mit noch vielen Kameraden // ins Feld gezogen. Wenn der Krieg // bis zur Ernte nicht ausgeht, // so darf ich auch noch Pulverdampf // riechen. // Ermunternde Zeilen erfreu= // en mich immer. Ich hoffe, daß // der Schornbacher Bote (1) nicht ver= // geblich seinen Gang macht. // Für den Gruß an m. lb. Braut // danke ich bestens. // Die herzlichsten Grüße Ihnen // + Ihren Lieben // Ihr ergebener // Adam Seemann.

Feldpostkarte, 8. August 1916

  • Absendeort: Villa Stian im Westen
  • Truppenzugehörigkeit: 15. Armee-Korps, 39. Division, Inf.Regt. Nr. 126, 5. Kompanie
  • Dienstgrad: Landstrum-Gefreiter

Sehr geehrter Herr Pfarrer!

Unter unserer Villa Stina müssen Sie sich // eine Bretterhütte, mit Dachpappe und Dreck über= // zogen, vorstellen. Sie liegt in einer Ver= // tiefung, einer Art Steinbruch. Den Vers // aus Starks Gebetbuch (2) muss man hier auf den // Kopf stellen und sagen:

Denk in der betrübten Zeit

an vergangne Herrlichkeit.

So muss ich heute schreiben. // Vor einem halben Jahr schlug ich noch die Orgel, // „lenkte den ganzen Chor, und viele Leute guckten // hinauf zum Provisor“. Einst – und jetzt // knie ich auf einem mit Stroh bedeckten // Bretterboden und schreibe an einem Tisch // mit Bleistift diese Zeilen. Ein Stuhl fehlt // nämlich, ebenso eine Bank. Wunderbar, // man ist zufrieden, hat man doch ein Dach // über dem Haupt. Ganz lebhaft kann ich mir // vorstellen wie es jetzt in der Schornbacher Kirche // aussieht, aber was der Herr Pfarrer sagt, // davon habe ich keine blasse Ahnung. Ich // weiß das Evangelium vom heutigen // Sonntag nicht. Man wird mir dieses aufrich= // tige Bekenntnis nicht übelnehmen. Die lieben // Schornbacher sollen nur froh sein, dass sie nicht in // meine Verlegenheit kommen. Im übrigen hoffe // ich, dass es Ihnen Herr Pfarrer und Ihren lieben Angehörigen // gut geht, ebenso allen Schornbachern. // Herzliche Grüße Ihr alter Unterlehrer Adam Seemann. // Für die Blätter herzlichen Dank.

Feldpostbrief, 10. Januar 1917

  • Absendeort: Waldlager bei Vaux in der Champagne
  • Truppenzugehörigkeit: -
  • Dienstgrad: -

Sehr geehrter Herr Pfarrer mit Familie! // Viel Glück + Segen zum neuen Jahr. In den 355 Tagen, // welche von 1917 noch übrig sind, kann man beides // noch brauchen, ebenso den Frieden. // Für das schöne Weihnachtsgeschenk danke ich herzlich, // ebenso für den freundlichen Brief. Sie werden // entschuldigen, daß erst jetzt Dank + Antwort // kommt. Vom 27.12.16 bis 10.1.17 war ich in Stellung. Es // war mir nicht möglich zu schreiben. Kurz ehe // wir in Stellung gingen erhielt ich das Paket. // Ort + Umstände erlaubten nicht, an eine „Respektsperson“ zu schreiben. Es fehlte beständig // an Licht. Der Stollen war naß, finster, aber // außerordentlich von Ratten u. Flöhen belebt. // Heute früh war mein erstes Geschäft, meinen // Leib von den Peinigern zu säubern. Was // doch der Krieg alles mit sich bringt! // Das Paket von der Oberklasse erfreute mich am //  Weihnachtsabend. Ihnen u. den Schülern spreche // ich meinen innigsten Dank aus. Eine so // freudige Stimmung wie an Weihnachten // sah ich selten beim „Indianerregiment“. // Hoffentlich trifft Sie dieser Brief gesund an. // Bitte lassen Sie auch einmal etwas hören. // Nehmen Sie alle zum Schluß die freundlich= // sten Grüße von Ihrem ergebenen // Adam Seemann.

Feldpostbrief, 18. März 1917

  • Absendeort: -
  • Truppenzugehörigkeit: -
  • Dienstgrad: -

Sehr geehrter Herr Pfarrer! // Es ist Zeit, daß ich auch wieder etwas von // mir hören lasse, sonst reißt die Verbindung // ab. Auf Ihren werten Brief vom 18.I. konnte ich // leider keine Antwort geben. Die Karte // werden Sie zwar erhalten haben. Im Janu= // ar u. Februar hatten wir Briefsperre. Es // war nur gestattet wöchentlich zwei // Briefe zu schreiben. Wenn man eine liebe // junge Frau zu Hause hat so ist es doch // nicht möglich andern lieben Seelen // zu schreiben. Herr Pfarrer wird das auch // zugeben, Zu meiner Freude ist die Brief= // sperre beseitigt. // Von offensivem Heldentum kann ich Ihnen // keinen Bericht erstatten. Unsre ganze // Aufgabe besteht meist in geduldigem // Durchhalten. Vom 27. Dez. 16 bis 10. Jan. 17 war // das kein Vergnügen. Unsere Stollen wären // für Enten geeigneter gewesen als für // Menschen. Es hatte immer viel Wasser u. in // den Gräben ungeheuer viel Schmutz. // Später kamen wir dann in den sog. „Kano= // nenberg“. Eine so vorzügliche Stellung // hatte das I. Regt. 126 noch nie. Gänge, Stollen // mit Wasserleitung u. elektr. Beleuchtung // sind dort eingerichtet. Kriegsberichterstatter // hätten hier vieles Material um den // Leuten, die noch zu Hause sind, ein wunder= // bares Bild zu entwerfen von den behag= // lichen, bombensicheren Wohnungen der // „herrlichen“ Feldgrauen. Das elektr. Licht // müßte dann zwar brennen u. die Wasser= // leitung dürfte nicht an 3 Stellen abge= // schossen sein. Im Geschäftszimmer des Bataillons // wäre es unter allen Umständen be= // haglich. Die Ohren hätten Grammophonmusik // u. die Nase den appetitlichen Duft des // brozelnden Bratens. Ein gemaltes Bild // würde zwar den guten Eindruck, den das // vorgeplapperte gemacht hat, verwischen. // Überhaupt beklagen sich die gewöhnlichen // Soldaten über die völlig unrichtige Dar= // stellungen in illustrierten Zeitschriften. //  Gott sei Dank habe ich u. fast alle Kameraden // den strengen Winter gesund überstanden. // 22.III.17. // Im Winter hab ich angefangen diesen // Brief, im Frühling wird er wohl beendet. // Pausen gibts im Feld oft. Ein Befehl // u. jedes persönliche Vorhaben wird durch= // quert. Der Soldat ist aber gut daran // gewöhnt. // Nächsten Sonntag ist wohl Konfirmation. // Vielleicht habe ich Muse mich über Wasser // u. Schlamm hinwegzusetzen u. im Geist // die Konfirmandenschar zu betrachten. // Bitte grüßen Sie mir meine alten Schüler. // Ich hoffe, daß auch unter diesem Häuflein // eine Anzahl ist tüchtig für Zeit u. Ewig= // keit. // Wie geht es Ihrem lb. Fritzle(3), Herr // Pfarrer? Geht es ihm noch gut oder plagt // er sich schon mit Konjugationen? Eines= // teils ist es doch ein Blödsinn, dass man // der Jugend mit solchem Kram das // Leben versauern muß. // Hoffentlich ist im Pfarrhaus alles lebens= // froh auf den Beinen. Tatsächlich, ich könnte // oft speien, so ekelt mich manchmal // das Leben an. Und dennoch man // hängt daran wie „Zeck“. Warum auch // nicht, wenn man ein liebes Weib zu // Hause hat. - Zum Schluß viele herzl. // Grüße an Sie u. Alle Ihr // ergebener A. Seemann.

Feldpostkarte, 2. Juli 1917

  • Absendeort: -
  • Truppenzugehörigkeit:Lehrgang für Offiziers-Aspiranten-Anwärter, 39. Infanterie-Division.
  • Dienstgrad: Musketier

Sehr geehrter Herr Pfarrer! // Das Wort wäre eigentlich an Ihnen! Aber ich // bin so frei u. sende Ihnen einen Kartengruß // vom Lehrgang für Offiz.-Aspir.-Anwärter. // Zwar würde ich lieber Organist als Offizier, denn letzteres // ist im 2. Halbjahr 1917 kein Ziel für einen Musketier. // Übrigens geht es mir gut, abgesehen von dem Schnitt // am rechten Bein, den man wegen eines Insek= // tenstichs hat machen müssen. Das Gemeinde= // blatt erfreut mich jedesmal. Hoffentlich kommen // außer H. W. wenig Verluste drin. Ihnen u. Ihren Lieben // die herzlichsten Grüße von Ihrem ergebenen // A. Seemann.

Feldpostkarte, 18. Dezember 1917

  • Absendeort: -
  • Truppenzugehörigkeit: Inf. Regt. Nr. 126, 2. Bataillon, 5. Kompanie.
  • Dienstgrad: Gefreiter

Lieber Herr Pfarrer! Besten Dank // für das Gemeindeblatt. Ich warte schon // sehr lange auf einen Brief von Ihnen, // leider vergebens. Nun, ich hoffe, daß es // Ihnen noch gut geht wie mir auch. Unsre // gegenwärtige Stellung ist auch besser // als die bei Passchendale(4) im Okt. - Nov. Den // höchsten Grad der Gemeinheit habe ich auch er= // reicht u. das E.K. 2 bekommen. Aber der Friede // wäre mir lieber als all der Kram. Frohe // + gesegnete Feiertage Ihr A. Seemann.

Aktualisiert am: 24.07.2018