Canz, Wilhelmine

Von: Kittel, Andrea

Wilhelmine Canz (1815-1901)

Wilhelmine Canz

Quelle: Großheppacher Schwesternschaft

1856 gründete Wilhelmine Canz in Großheppach im Remstal die erste Bildungsanstalt für evangelische Kleinkinderpflegerinnen in Württemberg. Die „Großheppacher Schwesternschaft“ residiert mittlerweile in Beutelsbach und umfasst neben dem Mutterhaus eine evangelische Fachschule für Sozialpädagogik, eine evangelische Fachschule für Altenpflege, ein Wohn- und Pflegestift sowie ein Kinder- und ein Gästehaus.

Am 27. Februar 1815 wurde Wilhelmine Canz in Hornberg im Schwarzwald geboren. Schon in jungen Jahren setzte sie sich mit Grundfragen des Glaubens auseinander. Durch ihren Bruder, einen Theologen, hatte sie die spannungsgeladene Auseinandersetzung zwischen hegel‘schem Idealismus und biblischem Glauben mitverfolgt. 1843 begann die damals 28-Jährige an ihrem Roman „Eritis sicut Deus“ („Ihr werdet sein wie Gott“) zu arbeiten, den sie 1852 zunächst anonym veröffentlichte.  Das Buch, eine Erwiderung auf David Friedrich Strauß‘ „Das Leben Jesu“, war heftig umstritten. Im Kreuzfeuer der Kritik zu stehen galt für Frauen in der damaligen Zeit als nicht angemessen. Wie viele ihrer Geschlechtsgenossinnen fand Wilhelmine Canz schließlich ihr eigentliches Betätigungsfeld in der Diakonie.

Im Jahr 1856 gründete sie in Großheppach im Remstal die erste Bildungsanstalt für evangelische Kleinkinderpflegerinnen in Württemberg. Dass die Kleinkinderbetreuung auf professionelle Füße gestellt werden musste, hatte sie bei Regine Jolberg gesehen, die einige Jahre zuvor eine entsprechende Ausbildungsstätte im badischen Nonnenweiler eröffnet hatte. Doch einfach sollte für Wilhelmine Canz auch dieses Projekt nicht werden. In kirchlichen Kreisen stand man ihrem Vorhaben skeptisch gegenüber. In der Verwandtschaft erntete sie Hohn und Spott, und bei Damenkaffees lachte man über ihre Idee, kostenlos Kinder von Bauernweibern zu hüten und einfache Mägde zu Erzieherinnen heranbilden zu wollen. 

Der Erfolg gab Wilhelmine Canz am Ende recht: Die Bildungsanstalt konnte beständig ausgebaut werden. An lernwilligen jungen Frauen gab es keinen Mangel. Die ausgebildeten Kleinkinderpflegerinnen wurden in einer Schwesternschaft nach genossenschaftlichem Prinzip organisiert und in die überall neu entstehenden „Kleinkinderpflegen“ gesandt. Nach den damals neuesten pädagogischen Erkenntnissen wurden die Kinder dort betreut, erzogen und gefördert. Notwendige Anerkennung erfuhr die Großheppacher Einrichtung durch Königin Olga, die 1870 höchstpersönlich zu Besuch kam und Wilhelmine Canz später mit dem Olga-Orden ehrte. 

41 Jahre lang führte Wilhelmine Canz die Bildungsanstalt bis zu ihrem Ruhestand 1897. Als „Mutter Canz“ am 15. Januar 1901 starb, zählten 349 Schwestern zur „Großheppacher Schwesternschaft“. Heute residiert das Werk in Beutelsbach und umfasst neben dem Mutterhaus eine evangelische Fachschule für Sozialpädagogik, eine evangelische Fachschule für Altenpflege, ein Wohn- und Pflegestift sowie ein Kinder- und ein Gästehaus.

Aktualisiert am: 06.03.2024