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Von: Pelizaeus, Anette
Inhaltsverzeichnis
- 1: Die Einführung der Reformation in Württemberg und die Veränderungen in Gottesdienst und Liturgie
- 2: Die Emporenkirchen und ihre Ausstattung
- 2.1: Die Einrichtung der Kirchen entsprechend der neuen Lehre
- 2.2: Die Kirchenstuhlordnung
- 2.3: Der Kanzelaltar
- 3: Skulptur
- 3.1: Die Grabdenkmäler
- 4: Malerei
- 4.1: Buchmalerei
- 4.2: Tafelmalerei
- 4.3: Wandmalerei
- Anhang
1: Die Einführung der Reformation in Württemberg und die Veränderungen in Gottesdienst und Liturgie
Die Reformation wurde in Württemberg erst relativ spät, nämlich erst nach der 1534 erfolgten und mit Hilfe des hessischen Landgrafen Philipp I. durchgesetzten Rückkehr von Herzog Ulrich (reg. 1498-1519, 1534-1550) aus seiner Verbannung nach Württemberg durchgeführt.(1)
Durch den Einfluss des Landgrafen Philip von Hessen wurde dabei zunächst zwischen der schweizerischen und der norddeutschen Richtung vermittelt, so dass anfänglich beide Strömungen zum Tragen kamen, sich aber dann doch durch die bestimmende Gestalt des Reformators Johannes Brenz die lutherische Richtung durchsetzte. Gleichwohl bildeten sich in Württemberg Sonderformen des Gottesdienstes in Bezug auf die Abendmahlslehre (Ubiquitätslehre) und die nüchterne Gottesdienstgestaltung heraus, die ihrerseits an die nüchternen Prädikantengottesdienste der vorreformatorischen Zeit erinnerte. In der schlichten Form des württembergischen Gottesdienstes stand die Predigt im Vordergrund, ergänzt durch den katechetischen Teil, durch Lieder und Gebete. Die Predigt wurde meist von der Kanzel gehalten, so dass der Altar mehr und mehr gegenüber der Kanzel zurücktrat.(2) Gemäß der kleinen Kirchenordnung von 1536 sollte das Abendmahl sechsmal im Jahr und dazwischen je nach Anzahl der am Gottesdienst teilnehmenden Gemeindeglieder gehalten werden, wobei zudem ein Abendmahlsgottesdienst einen Predigtgottesdienst ersetzten sollte. In der großen Kirchenordnung von 1553 wurde demgegenüber ein einmal im Monat stattfindender Abendmahlsgottesdienst festgeschrieben.(3) Im 18. Jahrhundert schließlich wurden die liturgischen Bestandteile des württembergischen Gottesdienstes durch den Einfluss von aufklärerischen und pietistischen Strömungen noch weiter reduziert und das Abendmahl nicht mehr während des Gottesdienstes, sondern im Anschluss daran gehalten, wodurch der Altar noch weiter gegenüber der Kanzel zurücktrat.
2: Die Emporenkirchen und ihre Ausstattung
2.1: Die Einrichtung der Kirchen entsprechend der neuen Lehre
Die Kirchen in Württemberg dienten seit Einführung der Reformation alle, seien es entweder überkommene Kirchen wie Pfarr-, Begräbnis- oder Schlosskirchen, Dom- oder Stiftskirchen, oder aber neu erbaute Sakralbauten, in erster Linie als Pfarrkirchen, so auch die noch genutzten Ordenskirchen, die in der Regel den alten Pfarrkirchen als Nebenkirchen zugeordnet wurden.(4)
Auch die Kirchen in Bildungs- und Sozialeinrichtungen wurden nun als Pfarrkirchen genutzt, wobei sie vornehmlich für einen bestimmten Personenkreis vorgesehen, aber auch Orte des öffentlichen Gottesdienstes waren.(5) Während die bereits bestehenden Kirchen für den reformatorischen Gottesdienst eingerichtet wurden, konzipierte man die neu zu errichtenden Kirchen schon ex ante im Sinne der neuen Lehre. Das Bauideal dieser Zeit war von dem Gedanken geleitet, dass sich die Gottesdienstbesucherinnen und Gottesdienstbesucher in möglichst befriedigender Hör- und Sichtbeziehung zu den Prinzipalstücken befinden und ausreichend Platz beim Zugang zum Altar haben sollten.(6)Diese raumkonzeptionellen Vorstellungen wurden in Württemberg erstmals in der von Aberlin Tretsch 1560-1562 unter Herzog Christoph von Württemberg angelegten Schlosskapelle des Alten Schlosses in Stuttgart umgesetzt.(7) Diese nämlich besteht aus einer Querkirche mit Chor, d.h. einem schmalen rechteckigen Saal mit einem fünfseitigen Erker an der äußeren Langseite, in welchem der Altar steht und daneben die Kanzel befindlich ist, so dass beide Prinzipalstücke von allen Sitzplätzen, auch von denen der Emporen, die sich auf der gegenüberliegenden Langseite und den beiden Schmalseiten des Kirchenraumes befinden, gut gesehen werden können.(8)
2.2: Die Kirchenstuhlordnung
Während des 30-jährigen Krieges wurden in Württemberg viele Kirchen zerstört, wodurch hier der Kirchenbau zunächst ins Stocken geriet. Im Westfälischen Frieden von 1648 wurde dann aber der konfessionelle Besitzstand festgeschrieben und damit der kirchliche Wiederaufbau ermöglicht. Die stets steigende Bevölkerung erforderte nun das Vorhandensein von Kirchen mit einer größeren Anzahl an Sitzplätzen, was zum einen zur Vergrößerung der Kirchen und zum anderen zum Einbau von Emporen führte.(9) Dabei erfolgte die Platzzuweisung im Erdgeschoss und auf den Emporen entsprechend der gesellschaftlichen hierarchischen Ordnung. Der Anspruch auf einen Sitzplatz war also zugleich sozialer Anspruch und machte die soziale Differenzierung in der kirchlichen Gemeinde offenbar, die dazu führte, dass bereits seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Kirchenstuhlordnungen mit erworbenen oder reservierten Sitzplätzen in möglichst guter Sichtachse und Akustik zu den Prinzipalstücken von Kanzel und Altar eingeführt wurden, die auch strikt eingehalten wurden.(10)
Dementsprechend spiegelte die protestantische Gemeinde die Ständegesellschaft der damaligen Zeit wider, protestantische Kirche und weltliche Gemeinde waren in diesem Sinne identisch.(11) Umgekehrt eröffneten sich für die Kirchen durch den Verkauf von Kirchenstühlen zum Unterhalt der Kirchengebäude und zur Unterstützung der Armen neue Finanzquellen.(12)
2.3: Der Kanzelaltar
In Bezug auf den Kirchentypus blieb zunächst die überkommene Form des längsrechteckigen Kirchenschiffes mit meist polygonal geschlossenem Chor in meist gotischem Baustil wie beispielsweise die Stadtkirchen in Besigheim, Bietigheim, Bad Cannstatt, Leonberg, Herrenberg, Tübingen, Schwäbisch Gmünd oder Schwäbisch Hall erhalten, doch prägte zunehmend der aus Zentraleuropa auch auf Deutschland übergreifende Einfluss des Barock die Kirchenbauten und insbesondere deren Ausstattung, die im 18. Jahrhundert barocke Formen annahmen.(13)
In diesem Jahrhundert trifft man in Württemberg auf eine rege kirchliche Bautätigkeit, die von Cornelius Gurlitt als „protestantischer Barockstil“ im Sinne des lutherischen Kirchenbaus bezeichnet wurde.(14)Die Bezeichnung „Protestantischer Kirchenbau“ als Kontrapunkt zum katholischen Kirchenbau ist obschon der seit der Reformation in Württemberg sichtbaren baulichen Veränderungen erst seit dem 1. Viertel des 18. Jahrhunderts gebräuchlich.(15) Die innovative Kraft für den neuen Kirchenbau war Leonhard Christoph Sturm (1669-1729), Architekturtheoretiker und Baumeister, insofern er verschiedene Modelle für eine optimale Raumnutzung für den protestantischen Gottesdienst 1718 in seinem Buch “Vollständige Anweisung aller Arten von Kirchen wohl anzugeben“ entwickelte und dabei folgendes festhielt: „…in den Protestantischen Kirchen sihet man vornehmlich darauf, daß eine grosse Menge einen einigen Prediger wohl sehen und hören könne, daher man die Stellen unmöglich auf der erden recht gewinnen kann, weil bey gar grossen Kirchen, die weit von der Cantzel zu stehen kommen, nichts hören können, sondern man muß sie übereinander zu gewinnen suchen.“(16)
Um dem Anspruch auf eine gute Sicht zur Kanzel und zum Altar zu genügen, ging man also dazu über, Altar und Kanzel axial übereinander anzuordnen und zur Gestalt eines Kanzelaltars zu vereinen.(17) Einen solchen zeigt zum Beispiel die Pfarrkirche in Gerstetten, die sogar noch beidseitig des Altares zwei rundbogenförmige Öffnungen für den Umgang der Kommunikanten um den Altar aufweist.(18) Im Hohenlohischen findet man zudem als Ausstattungsmerkmal die sogenannte „Markgräfler Wand“, die sich dadurch auszeichnet, dass hier nicht nur Altar und Kanzel, sondern Altar, Kanzel und Orgel übereinander angeordnet sind, so beispielsweise in Amlishagen (Neubau der Katharinenkirche 1761-1763) und Kirchensall (um 1770).(19)
Der Grundriss der barocken Katharinenkirche in Amlishagen(20) setzt sich aus einer längsrechteckigen Saalkirche mit östlich sich anschließendem kurzem Chorrechteck zusammen. Die Saalkirche, der eine kleine Vorhalle vorgelagert ist, weist auf der Nord- und Südseite eine Empore auf, während im Westen über der Vorhalle die Fürstenloge befindlich ist. Sie liegt genau gegenüber der Markgräfler Wand im Chor, die sich zudem dadurch auszeichnet, dass beidseitig des Altares auch Tauf- und Opferstock angeordnet sind. Auf diese Weise können alle Prinzipalstücke mit einem Blick in Augenschein genommen werden, die nicht nur von der fürstlichen Loge aus, sondern auch von den Plätzen des Erdgeschosses sehr gut gesehen werden können. Die Markgräfler Wand und die Emporenbrüstung sind in denselben Pastelltönen gehalten, wodurch der einheitliche Charakter des barocken Baustils durch die Farbgebung noch zusätzlich betont wird. Der Außenbau fasziniert durch die Westfassade, die nach dem Vorbild der römischen Barockfassaden im Erdgeschoss drei- und im Obergeschoss einteilig ist, wobei seitliche Voluten den Übergang von Dreiteiligkeit zur Einteiligkeit bewerkstelligen.
Die Bauaktivitäten standen unter dem Zeichen protestantischer Bau- und Gestaltungsfreude, in der Kirchenbau und Gottesdienst integrierende Faktoren des gesellschaftlichen Lebens waren, und zwar in einer von Gott gesegneten Glaubensgemeinschaft, die jedoch auch im 18. Jahrhundert noch nach gesellschaftlichem Stand und Geschlecht geordnet war.(21) So weist zum Beispiel die evangelische Kirche St. Pantaleon in Asselfingen vier erhaltene Reihen an nummerierten, mit Türchen verschlossenen Kirchstühlen aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts auf, die mit geschweiften Wangen versehen sind und eine einprägsame Vorstellung von der Kirchstuhlordnung des 18. Jahrhunderts geben.(22)
3: Skulptur
3.1: Die Grabdenkmäler
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Tübingen, Stiftskirche, Chor. Grabplatte Herzog Christoph von Württemberg
Fotograf: Mogadir. CC-BY-SA-3.0
Im Gegensatz zu den südlich und östlich in Schwaben gelegenen katholischen Gebieten war man im Norden mehrheitlich evangelisch, weshalb die Kirchen hier nicht mehr mit Heiligenfiguren, sondern insbesondere mit figürlichem Schmuck für die Grabdenkmäler ausgestattet wurden.(23) So schuf beispielsweise Joseph Schmid von Urach Grabdenkmäler für die Kirchen in Stöckenburg bei Hall, in Berneck bei Nagold und für den Chor der Stiftskirche in Tübingen. Auch Leonhard Baumhauer, der sich auch als Erbauer der Brunnen in Leonberg, Reutlingen und Munderkingen einen Namen machte, ist als Bildhauer zahlreicher Grabdenkmäler zu nennen, unter denen das 1563 für den Haushofmeister Hans Herter von Herteneck entstandene Grabmal in der Stuttgarter Stiftskirche besonders erwähnenswert ist. In der Stadtkirche von Kirchheim/Teck befinden sich die Grabmäler für Ulrich Schilling von Cannstatt von 1552, für Hanns von Remchingen von 1576, für Anna Sept von Sulzberg mit deren Söhnen und Töchtern von 1586 sowie für Johannes Sigmund von Remchingen von 1604. In Salach bei Göppingen treten die Grabdenkmäler für Albrecht und Konrad von Rechberg hervor, wobei ersteres ein Werk von Michael Schaller ist.
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Stuttgart, Stiftkirche. Chornordwand. Standbilder der Grafen von Württemberg
Landeskirchliches Archiv, Inventarisation, DA Stuttgart, unverzeichnet
Sem Schlör, vornehmlich als Bildhauer der Grabdenkmäler in Hall und Umgebung greifbar, war auch im Neckar- und Remsgebiet, wie etwa in Oberstenfeld, Geisingen, Oppenweiler oder Straßberg tätig, arbeitete darüber hinaus aber auch im Auftrag der württembergischen Herzöge, wie einerseits die Grabdenkmäler in der Tübinger Stiftskirche(24) und andererseits die ehemalige Ausstattung der Kapelle im Alten Schloss in Stuttgart, die ihrerseits später wieder verändert wurde, zeigen. 1576 erhielt er zudem den Auftrag für die Schaffung von 11 Grafenstandbildern für die Chornordwand der Stuttgarter Stiftskirche, die aufgrund ihrer Einheitlichkeit im Stil des Manierismus von besonderer Bedeutung sind.(25)
4: Malerei
4.1: Buchmalerei
In der protestantischen Buchmalerei der Frühen Neuzeit sind es vornehmlich die lutherischen Bibeln, die mit Illustrationen aus den biblischen Geschichten des Alten und Neuen Testaments versehen werden, um die Botschaft der Heiligen Schrift auch visuell vor Augen zu führen und damit möglichst vielen Menschen nahe zu bringen, zumal in dieser Zeit nicht alle Menschen des Schreibens und des Lesens mächtig waren. Um die Bibeln nicht unnötig aufzublähen, fasste man eine biblische Geschichte in einer Illustration zusammen. Dementsprechend umfasst ein Bild mehrere Szenen, die auf der Bildfläche an unterschiedlichen Orten positioniert sind, woraus sich ergibt, dass die gleichen Personen in einer Darstellung mehrfach vorkommen können. Ziel dieser Illustrationen ist die bildliche Verkündigung des geschriebenen Wortes, wobei Luther nicht selten in den ersten Bibeln von 1534 und 1545 kommentierte, an welchen Stellen eine Illustration anzubringen sei. Die Illustrationen bestehen dabei aus Holzschnitten, die anschließend mit der Hand koloriert wurden, wodurch jedes einzelne Bibelexemplar zu einem Unikat wurde. Als Beispiel sei hier die von Sigmund Feyerabend, Georg Rab und Hans Weygand Erben 1564 in Frankfurt gedruckte Bibel Martin Luthers angeführt, die im Auftrag des Herzogs Christoph von Württemberg (1550-1668) in einer Auflage von 200 Exemplaren ausgeführt wurde und dementsprechend als die erste für Württemberg gedruckte Lutherbibel anzusehen ist.(26) Die Bibel besteht aus zwei Bänden und umfasst insgesamt 134 handkolorierte Illustrationen. Das Alte Testament enthält das Widmungsblatt mit Portrait und Wappen des Herzogs, 2 Titelblätter und insgesamt 92 Textabbildungen, wobei sich das Buch der Propheten einschließlich der Apokryphen mit eigenem Titelblatt am Anfang von Band 2 befindet. Band 1 ist demzufolge allein dem Alten Testament gewidmet und enthält 66 Textabbildungen, während sich die übrigen 26 Abbildungen auf die Propheten und Apokryphen verteilen. Das Neue Testament, das ebenfalls mit eigenem Titelblatt ausgestattet ist, umfasst nun erstmalig 38 Illustrationen und damit fünf bzw. sechs Abbildungen mehr als die Vollbibeln von 1534 und 1545. Innerhalb des Alten Testaments sind ebenso wie in den Vollbibeln von 1534 und 1545 24 Holzschnitte den Büchern Mose, 14 den Königen und 11 den Büchern Samuels gewidmet, während das Buch Richter zwei Abbildungen mehr als in den beiden vorangegangenen Lutherbibeln enthält. Die übrigen Illustrationen finden sich bei Josua, Nehemia, Ester, Hiob, Habakuk und dem Psalter, während in den Chroniken bereits vorhandene Holzschnitte wieder verwendet werden. Im Neuen Testament liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der Apokalypse mit wiederum 26 Darstellungen, während den Evangelien nun nicht mehr lediglich sechs oder sieben, sondern 12 Illustrationen gewidmet werden. Dementsprechend enthalten gemäß der lutherischen Tradition die Erzählungen aus dem Alten Testament zwar schon noch deutlich die meisten Illustrationen, wobei hier der Schwerpunkt eindeutig auf den Propheten und den fünf Büchern Mose liegt, doch hat sich die Anzahl der Abbildungen im Neuen Testament durch die Hinzufügung von Illustrationen zu herausragenden Erzählungen der Evangelien um Vergleich zur Bibel von 1545 verdoppelt. Gleichwohl liegt in der Frankfurter Bibel der Schwerpunkt des Neuen Testaments, ebenso wie in den vorlutherischen Bibeln und den lutherischen Bibeln von 1534 und 1545, noch immer auf der Illustrierung der Geschichten aus der Apokalypse, die eben überaus deutlich das Wirken Gottes in der Welt in Abhängigkeit vom menschlichen Handeln vor Augen führen.
4.2: Tafelmalerei
Bezüglich der protestantischen Tafelmalerei verdienen insbesondere die Tafelgemälde der barocken Epitaphien genannt zu werden, in denen meist jeweils ein oder eine Verstorbene oder ein Ehepaar, seltener indes eine ganz Familie nach dem Tod in besonderem Maße für immer gewürdigt werden sollte. Dabei wurden die Verstorbenen in der Regel in Gestalt von Portraits abgebildet, es gibt aber auch Beispiele, in denen die Illustration von biblischen Geschichten anstelle des Verstorbenen treten oder zusammen mit diesem allein oder zusammen mit seiner Familie dargestellt werden, um auf diese Weise dessen besondere Frömmigkeit hervorzuheben. Als Beispiele seien hier das 1611 von Conrad Rotenburger gefertigte Epitaph des badischen Stiftsschaffners Matthias Henßler in der Besigheimer Stadtkirche(27) oder das Tafelbild der 1503 verstorbenen Barbara Schmotzerin in der Bönnigheimer Cyriakuskirche, geschaffen von einem unbekannten Meister(28), genannt.
Das von zwei Säulen gerahmte Epitaph mit Darstellung des Stiftsschaffners Henßler in Besigheim ist in drei Teile gegliedert. In der zentralen Bilddarstellung sitzt der lediglich mit einem Lendentuch bekleidete Verstorbene in betender Haltung auf einem Podest, der mit seinem linken Fuß auf einem Totenschädel als Symbol für die Überwindung des Todes steht. Er wird seitlich rechts von Gottvater begleitet, der mit seiner Rechten auf den von den Toten Auferstandenen zeigt, der hinter ihm mit Siegesfahne, rotem Mantel und hellem Strahlenkranz auf dem Sagdeckel seines Sarges steht. Seitlich links der betenden Figur steht Moses, der die Gesetzestafeln in seiner Rechten hält und mit seiner Linken auf eine Stelle einer aufgeschlagenen Seite zeigt. Links daneben erscheint das Paradies mit Darstellung der Versuchung, während über dem Betenden Golgata mit den drei Gekreuzigten zu sehen ist. Der Verstorbene wird also als ein Mensch präsentiert, der in seinem Leben zwischen dem alttestamentarischen Gesetz und dem neutestamentlichen Evangelium stand und wohl beidem gerecht zu werden versuchte.
Das Tafelbild mit Darstellung der Barbara Schmotzerin zeigt in den beiden oberen Registern das Elternpaar Adam und Barbara Stratzmann mit ihren insgesamt 53 Kindern, während im mittleren Register die gesamte Familie dargestellt ist, links der kniende Vater mit den 38 Söhnen und rechts stehend die Mutter mit den 15 Töchtern.(29) Das Tafelbild verdeutlicht also die Besonderheit der großen Anzahl von Kindern des Ehepaares, die alle einer einzelnen Darstellung gebühren.(30)
4.3: Wandmalerei
In der Wandmalerei treten in der protestantischen Kunst der Frühen Neuzeit die biblischen Geschichten in den Vordergrund. Es geht um das Wort Gottes, das in bildlicher Form zur Darstellung gelangt, um die Botschaft der Heiligen Schrift nicht nur schriftlich, sondern auch visuell zu unterbreiten und auf diese Weise möglichst vielen Menschen zu vermitteln, auch denjenigen, die in der Frühen Neuzeit des Lesens und Schreibens nur schlecht oder gar nicht mächtig waren. Es geht also um die möglichst breitgefächerte Verkündigung der Bibel, wobei alttestamentliche Motive aus den Büchern Mose wie beispielsweise die Schöpfung oder der Sündenfall und neutestamentliche Szenen aus dem Leben Jesu oder aus der Apokalypse sehr häufig illustriert werden, doch vereinzelt finden sich auch illustrierte Geschichten aus den alttestamentlichen Büchern der Propheten oder den neutestamentlichen Wunderberichten oder Gleichnissen aus den Evangelien. Der Bezug zum Bibeltext war indes von besonderer Bedeutung, weshalb dieser oft als Unter- oder Umschrift oder in Gestalt von beidem zusammen mit den biblischen Geschichten zur Darstellung gelangen.(31) Im Zentrum der Betrachtung steht natürlich immer wieder, sei es nun im Alten oder im Neuen Testament, Christus, und zwar ikonographisch meist als Erlöser, wie wir es in den Darstellungen der Auferstehung, der Himmelfahrt, als Weltenrichter oder als Agnus Dei finden, während uns die Darstellungen der ehernen Schlange eher an das Sterben von Jesus am Kreuz oder die Errettung von Jona aus dem Bauch des Walfisches an die Auferstehung Christi oder die Himmelfahrt des Elia im feurigen Wagen an die Himmelfahrt Christi erinnert.(32)Besonders eindrucksvolle Wandmalereien mit Darstellung biblischer Geschichten in Verbindung mit den jeweils zugehörigen Textstellen sind in der Pfarrkirche in Pfaffenhofen im Kreis Heilbronn (Ausmalung von 1613) oder in der Kilianskirche in Bietigheim-Bissingen (Ausmalung von 1677 und 1691) zu finden.(33) In Pfaffenhofen befinden sich die Illustrationen an der Ostwand des Kirchenschiffes, in Bietigheim-Bissingen füllen sie sämtliche Kirchenwände des Chores und Kirchenschiffes, so dass der Kirchenbesucher die Darstellungen visuell schnell erfassen, aber auch durch langes Betrachten auf sich wirken lassen kann.(34)
Aktualisiert am: 28.06.2016
Bildnachweise
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Stuttgart, Schlosskirche. Innenraum
Fotograf: Dieter Peters
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Stuttgart, Schlosskirche. Detail
Fotograf: Dieter Peters
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Stuttgart, Schlosskirche. Detail
Fotograf: Dieter Peters
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Gerstetten, evang. Pfarrkirche. Kanzelaltar
Archiv des Vereins für Christliche Kunst / Verein für Kirche und Kunst
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Amlishagen, Katharinenkirche. Grundriss
Aus: Pelzaeus /Fink, 250 Jahre Katharinenkirche Amlishagen, Stuttgart 2013
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Amlishagen, Katharinenkirche. Markgräfler Wand
Aus: Pelzaeus /Fink, 250 Jahre Katharinenkirche Amlishagen, Stuttgart 2013
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Amlishagen, Katharinenkirche. Fürstenloge im Westen
Aus: Pelzaeus /Fink, 250 Jahre Katharinenkirche Amlishagen, Stuttgart 2013
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Tübingen, Stiftskirche, Chor. Grabplatte Herzog Christoph von Württemberg
Fotograf: Mogadir. CC-BY-SA-3.0
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Stuttgart, Stiftkirche. Chornordwand. Standbilder der Grafen von Württemberg
Landeskirchliches Archiv, Inventarisation, DA Stuttgart, unverzeichnet
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Frankfurter Bibel von 1564: Widmungsblatt mit Porträt und Wappen des Herzogs Christophs von Württemberg
Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung Eine Bibel für Württemberg
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Frankfurter Bibel. Arche Noah
Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung Eine Bibel für Württemberg
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Besigheim, evang. Stadtkirche. Chornsüdseite. Epitaph des badischen Stiftschaffners Matthias Henßler
Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Inventarisation, Inv.-Nr. 05101.1.010-00
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Besigheim, evang. Stadtkirche. Chorsüdseite. Epitaph des badischen Stiftsschaffners Matthias Henßler. Detail
Landeskirchliches Archiv, Inventarisation, Inv.-Nr. 05101.1.010-00
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Bönnigheim, Cyriakuskirche, Langschiffnordseite. Tafelbild der Barbara Schmotzerin
Landeskirchliches Archiv, Inventarisation, Inv.-Nr. 05007.1.0087-00
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Bietigheim-Bissingen, Kilianskirche. Innenraum. Blick nach Osten
Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Inventarisation, Inv.-Nr. 05322.1.031-00
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Bietigheim-Bissingen, Kilianskirche. Langschiffnordseite, östlicher Abschluss. Flucht nach Ägypten
Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Foto Pelizaeus
Zitierweise
https://wkgo.de/cms/article/index/christliche-kunst-in-sudwestdeutschland-reformationszeit-und-barock (Permalink)
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